Mein Totenhemd im Kleiderschrank

mein Totenkleid

Zunächst wird mein Hochzeitskleid mein „Totenhemd“

Stellen Sie sich vor, man hängt das eigene Totenhemd in den Kleiderschrank. Stellen Sie sich vor, Sie tun es. Ich stelle mir vor, ich tue es. Ich bin jetzt 56 Jahre. 90 will ich wenigstens werden. Aber wer weiß schon, was passieren wird?

Stellen Sie sich vor, das eigene Totenhemd hängt im Kleiderschrank. Ich stelle mir das mal vor. Zur Zeit habe ich noch keines ausgesucht. Wenn ich im Laufe dieses Jahres sterben sollte, dann wissen Annegret und mein Mann: es soll mein cremefarbenes Hochzeitskleid werden. Es wurde geschneidert aus schöner glänzender Seide. Ich habe mich an meinem Hochzeitstag sehr wohl darin gefühlt. Ich habe es auf Kniehöhe kürzen lassen und seither einmal getragen: in Hongkong an meinem dritten Hochzeitstag.

Ich stelle mir vor, wenn ich es jetzt so in meinem Schrank hängen sehe … ich werde es als Tote tragen. Es wird mir hoffentlich mein Mann angezogen haben. Es passt um die Hüften. Wenn ich aber tot bin, bin ich ja nicht mehr so gelenkig. Wie wird man es über die Hüften kriegen? Den Saum aufschneiden? 🙂 Wie wird man es mir über die Arme und Schultern streifen?

Mittelfristig stelle ich mir vor, wie ich nach einem passenden Kleid oder Hemd suche. Natürlich aus einem guten Naturstoff. Bio-Baumwolle? Annegret hat angeboten, es zu besticken.

Werde ich mein Hochzeitskleid besticken? Oder Holzknöpfe drauf nähen, die mir der Mann aus dem Engadin mit den Worten verkauft hat: Auf dass die Knöpfe die guten Gedanken „zsammehäbe“?

Wenn ich dieses Totenhemd jeden Tag in meinem Kleiderschrank sehe, werde ich täglich daran erinnert, dass ich eines Tages sterben werde. Ich überlege weiter, was es mit mir tun wird, wenn ich die Gewissheit des Lebensendes jeden Tag vor Augen sehe. Ich frage mich:

– werde ich sanfter, toleranter, geduldiger mit mir und den anderen?
– lasse ich mich mehr „führen“ als selbst gestalten zu wollen?
– werde ich mehr im Hier und Jetzt leben?
– wird jeder Tag so liebevoll gestaltet als wenn es mein letzter sein könnte?

Auf jeden Fall fühle ich mich getröstet. Ich kann ruhig und gelassen sein – jetzt und auch wenn ich einmal sterben sollte. Ich weiß, es wird für mich gesorgt sein, wenn ich tot bin. Mein Totenhemd, das in meinem Kleiderschrank hängt, wird mich gut kleiden und mir gut stehen ;-). Ich gehe auf die Suche und werde etwas Schönes, Angenehmes, Passendes finden. Dann bleibt mein Hochzeitskleid mein Hochzeitskleid und mein Totenhemd wird dann irgendwann seine Aufgabe erfüllen.

Hängen Sie sich auch Ihr Totenhemd in den Schrank? Wie gefällt Ihnen diese Vorstellung?

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Bevor ich sterbe, Letzter Wunsch und verschlagwortet mit , von Petra Schuseil. Permanentlink.

Über Petra Schuseil

Als "alte" Frankfurterin pendel ich seit Anfang 2012 zwischen Frankfurt und dem Zürichsee hin und her. 64 bin ich jetzt und offiziell Rentnerin. Ich schreibe regelmäßig Morgenseiten, singe im Kirchenchor, und schwimme im Sommer täglich im Zürichsee. 2013 kam mein Buch "Finde Dein Lebenstempo" auf den Markt. "Wesentlich werden" so heißt ein anderer Blog von mir. Seit Ende 2014 gibt es unseren Totenhemd-Blog. Inzwischen sind wir ein Team: Juliane, Sigrid und Lutz schreiben mit. Wenn nicht jetzt, wann dann ist mein Lebensmotto.

7 Gedanken zu „Mein Totenhemd im Kleiderschrank

  1. Pingback: November-Blogaktion 2022: „Totenhemd“ trifft auf Prosa | Totenhemd-Blog

  2. Pingback: Mein neues Totenkleid | Totenhemd-Blog

  3. Mein Mann starb vor einem Jahr, viel zu jung. Jetzt wo sich sein Jahrestag zum ersten Mal jährt, kommt mir in den Sinn, wer mich eines hoffentlich fernen Tages ausstatten wird für meinen allerletzten Gang. Da fiel mir mein Brautkleid ein, das seit 40 Jahren im Schrank liegt. Leider passt es nicht mehr. Aber als Hobbyschneiderin werde ich es umarbeiten. Ich finde es eine schöne Idee, gar nicht makaber oder gruselig. Denn wenn eins sicher ist, dann dass wir alle diese Welt eines Tages verlassen.

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    • liebe Renate, ich bin etwas spät dran dir zu antworten. Es tut mir leid, ich habe mir die Zeit nicht genommen. Der frohe Tod deines Mann tut mir leid. Ein ganzes Trauerjahr ist jetzt vorbei … und du kommst auf die wunderbare Idee, dein Brautkleid deiner Figur anzupassen. Das ist großartig! Viel Freude dabei.

      Eines Tages … und du im Brautkleid … dein Mann wird entzückt sein … 😉
      LG Petra

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  4. Hallo Chantal, wie süß Dein weißes Gewand mit Bubikragen. Ich stelle es mir grad vor ;-). Ja, es ist ein besonderer Tag … wenn wir da im Sarg liegen … da wollen wir doch noch mal gut aussehen ;-). Danke für Deinen schönen Kommentar. Herzlich. Petra

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    • Hallo Petra, danke, daß Dir mein „Entwurf“ meines letzten Kleides gefällt.
      Und …. süß… 🙂 das hast Du so schön ausgedrückt.
      Warum denn soll das letzte Kleid/Hemd oder Gewand, dem allgemein etwas eher negatives anhaftet nicht auch…. elegant ….. süß… gar stylisch… oder einfach schön sein.
      lg
      Chantal

      p.s
      jetzt fällt mir dazu spontan ein Zitat aus einem deutschen Film ein.
      „Der letzte schöne Tag“ (vielleicht kennst Du ihn ?)

      „Was zieht man an, wenn man tot ist“
      Der verzweifelte Ausruf der Tochter, als sie vergeblich versucht, passende Kleidung für die früh verstorbenen Mutter zu deren Beerdigung zusammenzustellen..

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  5. Gefällt mir sehr sogar. Ich selber habe mich damit beschäftigt. Auslöse war ein Gespräch mit einer guten Freundin, darüber wie man sich später seine Beerdigung vorstellt.

    Natürlich hängt auch meines noch nicht im Schrank, doch Vorstellungen wie`s aussehen soll hab ich schon.
    Ein langes weißes Gewand, wie ein Nachthemd eben, mit einem kleinen runden Bubikragen oder ähnlich auch feierlich soll es aussehen. Gern mit Rüschen vorn an den Ärmeln und im Brustbereich, schön verspielt eben.
    Die Ähnlichkeit zum Nachthemd finde ich schon daher recht passen, da wir am Ende doch beinahe wie in einem Bett liegen, auf einem Kissen und bedeckt.
    Ich kann mir gut vorstellen ein solches Totenkleid nähen zu lassen. Und in meinem Kleiderschrank bereit zu legen, für den tag x.

    Deine Idee, vielleicht im Hochzeitskleid zu gehen finde ich sehr schön.
    Weil Di dich wie gesagt darin so wohl gefühlt hast und es ja an einem ganz besonderen tage getragen hast. Und ist der Tag unserer Beerdigung nicht unser letzter besonderer Tag ?

    lg
    Chantal

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