Die Totenwache halten

Schnee-Röschen

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Die Totenwache ist ein Ritual, das früher und auf dem Land sehr sehr wichtig war und immer noch ist. Man kann sich von dem toten Menschen zuhause in seiner gewohnten Umgebung verabschieden. Dann liegt der tote Mensch in seinem Bett. Kerzen brennen. Freunde, Bekannte und Familie kommen, um sich zu verabschieden.

Bei einem Freund gab es auch ein letztes „Festessen“, sein Lieblingsessen. Wer da war, war zum Essen eingeladen. Ich erinnere mich an Vitello Tonnato. Es war ein Kommen und Gehen. 3 Tage Totenwache. Es gibt weise Frauen, die erzählen, dass sich etwas tut in diesen Tagen. Der tote Körper verändert sich. „Die Seele ist irgendwie anwesend“, macht etwas. Wer es nicht erlebt hat, kann es kaum ausdrücken. Spiegel werden zugehängt, Fenster geöffnet … es gibt Rituale, auf die man achtet, dass die Seele sich „gut“ auf den Weg machen kann.

In einer Todesanzeige im hiesigen Schweizer Tagblatt habe ich vor wenigen Tagen gelesen, dass man sich in der Friedhofskapelle an 3 Tagen jeweils vormittags und nachmittags von dem verstorbenen Menschen verabschieden kann. Danach wird er in engstem Familienkreis beigesetzt. Das finde ich großartig, dass diese Möglichkeit den trauernden Freunden, Kollegen und Bekannten angeboten wurde.

3 Tage Totenwache … wenn ich überlege, dass die Seele aus dem Körper schlüpft, sich langsam vom Körper verabschiedet und sich auf ihre ganz eigene Reise macht, dann gefällt mir das außerordentlich gut. Wie oft habe ich schon gehört, dass der/die Tote sofort nach dem letzten Atemzug abgeholt wird und dann in einem anonymen Bestattungskühlfach liegt. Eine grausige Vorstellung. Ich stelle mir auch vor, wie angenehm es ist, wenn sich die Lebenden um den Toten kümmern. Der/die Tote dürfte sich „wohl fühlen“ bzw. die Seele.

Eine Aussegnung ist dann ein separates Ritual – dazu muss Annegret mal mehr schreiben. Als Pfarrerin hat sie da sicher viel Erfahrung gemacht.

Haben Sie schon einmal Totenwache gehalten? Wie war das? Was haben Sie erlebt? Auch über Nacht? Als mein Vater starb, hab ich nicht wirklich Totenwache gehalten an seinem gewohnten Ort. Ich bekam aber die Möglichkeit mich in einem Abschiedsraum im Friedhofsgebäude von ihm zu verabschieden. Das waren sehr sehr wichtige Minuten für mich. Er lag im Sarg, war in seinen Anzug gehüllt, seine Hände lagen übereinander. Wie schön seine Hände waren! Ich habe ihn angefasst und mich von ihm verabschiedet. Ein kostbarer Moment. Lesen Sie auch: Wenn das Lebenstempo eines geliebten Menschen erlischt

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Nach dem Tod, Trauern und Trösten und verschlagwortet mit , , von Petra Schuseil. Permanentlink.

Über Petra Schuseil

Als "alte" Frankfurterin pendel ich seit Anfang 2012 zwischen Frankfurt und dem Zürichsee hin und her. 64 bin ich jetzt und offiziell Rentnerin. Ich schreibe regelmäßig Morgenseiten, singe im Kirchenchor, und schwimme im Sommer täglich im Zürichsee. 2013 kam mein Buch "Finde Dein Lebenstempo" auf den Markt. "Wesentlich werden" so heißt ein anderer Blog von mir. Seit Ende 2014 gibt es unseren Totenhemd-Blog. Inzwischen sind wir ein Team: Juliane, Sigrid und Lutz schreiben mit. Wenn nicht jetzt, wann dann ist mein Lebensmotto.

2 Gedanken zu „Die Totenwache halten

  1. Ich habe meinen Vater intensiv begleitet im Sterbeprozess und auch im Moment seines Todes. Es ist ein Erlebnis, das mich in meinen tiefsten Schichten berührt und verändert hat. Es war mir sehr wichtig, ihm ein ruhiges und würdevolles Gehen zu ermöglichen, die Vorstellung, dass er direkt nach seinem Tode abgeholt würde, war unerträglich. Sein Wunsch war es zuhause sterben zu können, sein Pflegebett stand im Wohnzimmer, am Fenster mit einem weiten Blick in seinen geliebten Garten. An seinem letzten Tag wollte er morgens noch Zopf und Kaffee „zum Tünkla“ – das hatte er seit Monaten nicht mehr getrunken. In dem Moment wusste ich, dass er gehen würde. Abends haben wir die Kerzen am Adventskranz angezündet und saßen lange ganz still an seinem Bett. Nur wenige Stunden später hat er seinen letzten Atemzug getan. Schon in dem Moment erschien es mir so und rückblickend noch viel mehr: Es war wirklich wie eine Geburt. Ein Übergang, eine Schwelle, die er überqueren musste… Diesen Schritt wollte ich ihm so leicht wie möglich machen. Im Raum und um uns herum war eine nie zuvor erlebte Atmosphäre voller Achtsamkeit und Klarheit. Und es war ganz deutlich zu spüren, dass der Tod ein Prozess ist, der mit dem letzten Ausatmen lange nicht zu Ende ist. Ich konnte und wollte ihn dort nicht alleine lassen und habe bis zum Morgengrauen neben ihm gewacht, nachdem wir ihn gewaschen und angekleidet hatten. Wir haben ihn drei Tage zuhause aufgebahrt. Unsere Totenwache war allerdings kein Fest, kein Festessen, sondern vielmehr ein Raum der Stille. Alle aus der Familie konnten auf ihre ganz persönliche Weise von ihm Abschied nehmen, ich selber bin jeden Tag mehrmals zu ihm gegangen und habe stille Zwiesprache gehalten, Kerzen angezündet und ihm für alles gedankt. Andere aus meiner Familie sind nur einmal zu ihm hineingegangen und wollten das dann lieber nicht mehr. Für mich war es eine wunderbare Erfahrung, meinen Abschied so frei und „im Fluss“ zu gestalten – und diese dreitägige Totenwache hilft mir bei der Trauerbewältigung ungemein. Die Schleier zwischen den Welten waren so dünn…

    Da, wo er gestorben ist, steht heute der Christbaum – und gestern an Weihnachten leuchteten und dufteten die Bienenwachskerzen an diesem Bäumchen – ein Lichtermeer!

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    • Liebe Kathrin, wie schön diese letzten Stunden und Tage mit Deinem Vater. Ich weiß was es bedeutet …
      Ein herzliches Danke, dass Du diese Erinnerung mit uns hier teilst.
      Und der Christbaum dort, wo er gestorben ist … schön!

      Ich hoffe, Euer Vater war mit Euch an den Weihnachtstagen. Ich rieche den Bienenwachs …
      Schöne Zeit noch zwischen den Jahren.
      Herzlicher Gruß
      Petra

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