Die 4 Phasen von „Ich regel jetzt mal alle letzten Dinge“

Ich war hier länger eher kurz angebunden, weil ich offline mal einiges regeln musste. Durch einen neuen Schrank habe ich wahnsinnig viel ausgeräumt, aussortiert, umgeräumt. Und durch unseren Blog hing mir sehr im Nacken, dass ich meine Patientenverfügung und meine Beerdigungswünsche dringend auf den neuesten Stand bringen wollte. Das erste mal habe ich das 2008 getan und ich muss sagen, auch durch die Beschäftigung hier im Blog habe ich einiges verändert. Aber die emotionalen Phasen beim Regeln der letzten Dinge blieben gleich.

Die wollte ich euch mal schildern und in einer Art Küchenwissenschaft zum Besten geben. Was die Ratgebersparte kann, kann ich schon lange ;-). Vielleicht kommt euch auch was bekannt vor. Und wenn ihr dann selbst drin steckt, könnt ihr sagen: „Ah ja, das hat die Annegret auch so beschrieben.“ Glaubt mir, das könnte helfen…

Phase 1: Frischer Mut: Ärmel hoch
Lange genug geredet, jetzt wird gehandelt, denke ich mir. Ich hol sie raus, all die Unterlagen und mache mich an die Patientenverfügung. Die Vorlage des Bundesjustizministeriums sprengt die Klischees. Hier stehen auch lauter Satzbausteine drin, die ganz anders sind als die üblichen Vorstellungen von „Ich will aber nicht an Schläuchen hängen“. Erfreut schreibe ich zuallererst: Ich will auf jeden Fall leben! Tut alles, was geht!
Auch die Einschränkungen schreibe ich fast vergnügt Wort für Wort ab, z.B. so “

In folgenden Ausnahmesituationen verfüge ich anders:

  1. Wenn infolge einer Gehirnschädigung meine Fähigkeit, Einsichten zu gewinnen, Entscheidungen zu treffen und mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, nach Einschätzung zweier erfahrener Ärztinnen oder Ärzte aller Wahrscheinlichkeit nach unwiederbringlich erloschen ist, selbst wenn der Todeszeitpunkt noch nicht absehbar ist. Dies gilt für direkte Hirnschädigung z.B. durch Unfall, Schlaganfall, oder Entzündung ebenso wie für indirekte Gehirnschädigung z.B. nach Wiederbelebung, Schock oder Lungenversagen. usw

Ich bin froh, dass jemand alles so genau formuliert hat und pinne jede Maßnahme genau fest. Alles ist klar formuliert, sodass keiner das missverstehen kann. Juchhuu, ich habe alles unter Kontrolle.

Phase 2: Langsam dünnhäutiger: Wer soll für mich entscheiden?

Ob nun mit Gatte oder ohne: ohne eine ordentliche Verfügung und eine Vorsorgevollmacht kann es  mit dem Entscheiden der anderen für mich schwierig werden. Wer soll meinen mutmaßlichen Willen für mich formulieren? Wer kann sich durchsetzen, wenn es brenzlig wird? Wem wird es das Herz brechen? Ich wähle diejenigen in meiner Familie aus, die die Klappe aufmachen und die Nerven behalten können, wenn es darauf ankommt. Ich merke, dass ich stiller und reizbarer bin als sonst. Ach komm, sag ich mir, es ist doch nur ein Stück Papier. Aber das Leben ist ein bisschen grauer als sonst und ich ein wenig weinerlicher.

Phase 3: Scheiße, ich werde sterben

Ja, ich werde sterben. Vermutlich gleich jetzt, hier im Auto, auf dieser Scheiß Autobahn, wo mich dieser Wahnsinnige eben von rechts überholt hat. Ich war so lange nicht zur Vorsorge, dass sich natürlich ein Krebs entwickelt hat, irgendwo im Bauch, nein, eigentlich Darmkrebs, so wie bei meinem verstorbenen Freund. Und diese Flecken auf der Haut sind auch erst seit kurzem da.
Das hatte ich vor 7 Jahren auch. Siehe da, ich lebe immer noch und habe mich gleich mal zur Vorsorge angemeldet. Immerhin ein positiver Nebeneffekt. Aber o Schreck, die haben so lange Wartefristen, in der Zeit wird sicher etwas Schlimmes unentdecktes fleißig weiterwachsen etcpp

Diese wunderbare Phase geht einher mit mieser Stimmung, dem Gefühl, in diesem Leben noch nicht genug Wichtiges getan zu haben, einem allgemeinen Durchhängen und während ich meine Beerdigungsregelungen radikal kürze (Dank Fritz Roth) muss ich an manchen Stellen doch wieder heulen.

Ich kriege Panik, weil ich die Dokumente noch nicht fertig gestellt habe. O Gott, ausgerechnet jetzt wird mir was passieren und keiner wird wissen, was ich jetzt will. Es zieht sich hin, ich schiebe andere Projekte vor und leide. Diese Phase kann ziemlich lange gehen. es sei denn du raffst dich auch und steuerst zu auf

Phase 4: Geschafft: ich bin FREI!

Also erst mal: Fleiss. Alles schön schreiben, für alle beteiligten und die eigenen Akten ausdrucken, zusammen tackern, unterschreiben! Den Organspendeausweis erneuern und die Telefonnummern in meinem Hinweis auf die Patientenverfügung aktualisieren. Just in dem Moment als ich das alles erledigt habe, fällt der ganze „Gleich-sterb-ich-Stein“ von mir ab. Plumps! Ja! Geschafft! Ich lebe frei und vergnügt, weil ich mir darüber keine Sorgen mehr machen muss! Das war vor 7 Jahren auch so. Ich war so dermaßen erleichtert zu wissen, es ist alles geregelt. Die Leute wissen, was zu tun ist. Das hat mich wirklich frei gemacht.

Mit anderen Worten: Macht´s, Macht´s schnell. Und genießt die Aufgeräumtheit in eurem Leben.

5 Gedanken zu „Die 4 Phasen von „Ich regel jetzt mal alle letzten Dinge“

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