17.11. Petra Ulbrich (Piri) : Warum lebe ich überhaupt?

von Piri

von Piri

Einmal sollte man seine Siebensachen
Fortrollen aus diesen glatten Geleisen.
Man müsste sich aus dem Staube machen
Und früh am Morgen unbekannt verreisen.

Mascha Kaléko – meine Lieblingsdichterin – sie schrieb dieses Gedicht: Einmal sollte man! – ich weiß nicht wann. Es ist auch nicht wichtig!

Als mein Mann vor drei Jahren so plötzlich starb, kam es mir vor, als ob er endlich auf seine langersehnte Reise gegangen war. Er war einfach nicht mehr da, ließ mich mit zwei behinderten Menschen allein – mit unseren Kindern – und machte sich einfach aus dem Staub!

Mein Loch war riesig groß in das ich gefallen bin, Zorn hatte ich und Wut. In einem anderen Gedicht von Mascha heißt es: Doch mit dem Tod der andren musst du leben. Doch, wie weiterleben? Nach so einem Verlust? Alleine, mit finanziellen Sorgen und zwei schwerstmehrfachbehinderten Junioren? Ich kam mir sehr alleingelassen vor, niemand aus meiner Familie hat mir geholfen – alle taten sehr betroffen, hielten sich aber fein im Hintergrund.

Endlich waren wir wieder Zuhause, in unserer gewohnten Umgebung, fern ab der Ursprungsfamilie. Die Junioren hatten ihre Freunde, ihre Werkstattarbeit und ihre Band. Alles sollte so normal, wie möglich sein. Ich hatte viel zu regeln und musste mich in Dinge einarbeiten, die ansonsten mein Mann gemacht hat. Leben war das nicht – eher ein funktionieren. Ich habe mich verkrochen, hab das gemacht, was ich immer gemacht habe, wenn ich keinen Ausweg fand. Tür zu und niemanden rein lassen.

Das kann doch nicht alles gewesen sein. Ich lebe doch. Warum lebe ich? Ich lebe doch nicht nur, dass es meinen Kindern gut geht. Warum lebe ich überhaupt? Mich hat keiner gefragt, ob ich leben will. Ich wurde ungefragt geboren, jetzt hocke ich da und soll etwas aus meinem Leben machen. Wunderbar! Ja, richtig – wunderbar! Das Leben ist wunderbar. Ein Wunder, dass gerade ich diese eine Aufgabe erhalten habe. Genauso ein Wunder ist, dass du deine Aufgabe im Leben hast (ich darf doch du sagen?).

Hast du schon mal nachgedacht, warum ausgerechnet du dieses Schicksal hast? Weil du es meisterst! Wenn du es nicht könntest, hättest du es nicht. Und genau das ist auch meine Lebensprämisse. Ich mache das, was ich kann. Ich mache Fehler und lerne daraus.

Vielleicht ist Leben ewiges lernen – hinfallen, aufstehen, weiter machen! Neues entdecken, altes wiederfinden und neu definieren. Zu den Sternen fliegen und mit beiden Beinen auf der Erde bleiben. Uns erforschen, und damit meine ich nicht die große Menschheit. Ich meine mich. Kenne ich mich wirklich? Ich denke auch; jeder Mensch, jedes Lebewesen, jedes noch so kleine Insekt hat einen Platz auf dieser Erde, in dieser Welt und ist ein Rädchen vom Ganzen.

Als ich mich bereit erklärte und diese Überschrift, dieses Thema wählte, war mir nicht bewusst, dass es so eine komplexe Geschichte ist. Ich dachte, es wäre leicht. Ich bräuchte bloß meinen behinderten Sohn fragen und der sagt mir die Antwort. Pustekuchen! Zuerst hat er mich gefragt, warum ich ihn das eigentlich frage! Dann hat er herausposaunt, dass es doch ganz easy ist:
„Ich lebe, damit ich Spaß habe!“

Ausgerechnet ein kleinwüchsiger, geistig behinderter Mann im Rollstuhl, der Glasknochen und enorme Schwierigkeiten mit dem Essen hat, sagt, dass er Spaß hat. Was habe ich im Leben falsch gemacht? Spaß habe ich relativ selten. Meine Tochter, die die gleiche Behinderung hat, sagte mir:
„Ich lebe, weil es schön ist!“

Schön, scheint mir wirklich relativ zu sein. Denn oft ist das Leben für die Beiden kein Zuckerschlecken. Sie brechen sich zum widerholten Mal die Zehen, oder der Rücken schmerzt, sie können bei strahlendem Sonnenschein nicht raus, weil ich alleine keine zwei Rollstühle schieben kann … Und dennoch sind sie lebensfrohe Menschen. Ja, hallo – ich finde das toll! Es ist ihr individueller Lebensweg.

Meinen Lebensweg suche ich immer noch. Meine Aufgabe ist es, für meine Junioren zu sorgen – ich mache es mit sehr viel Liebe und aus vollem Herzen gerne. Ich hadere nicht mit dem Schicksal, ich habe es angenommen. Werft mir jetzt keinen Altruismus vor – ich denke schon an mich. Denn, nur wer seine Schalen füllt, der kann auch abgeben und helfen. Leben kann niemand allein. Zum Leben brauchst du ein Gegenüber. Wir leben vor dem Tod und wir leben jetzt.

Warum? „Ob man es weinend oder lachend hinbringt, ein Leben bleibt ein Leben.“ Warum, wer weiß es?

Man zog einst ein Lebenslos zweiter Wahl.
Die Weckeruhr rasselt. Der Plan wird verschoben.
Behutsam verpackt man sein kleines Ideal.
Einmal sollte man … (siehe oben!)

So endet das Anfangsgedicht von Mascha Kaléko – und so endet unvollendet mein Beitrag!

Petra (piri) Ulbrich 17. November 2015

Liebe Piri, danke für Deinen so wertvollen Beitrag und Deine Antwort auf deine Frage, die sicher Jede und Jeden mal mehr mal weniger bewegt. Dein Beitrag ist auch in Deinem Blog zu lesen.

Hier entlang zu den Informationen zu unserer Blogaktion.

4 Gedanken zu „17.11. Petra Ulbrich (Piri) : Warum lebe ich überhaupt?

  1. Liebe Piri-Petra,

    dein Artikel ist mir unter die Haut gegangen, als ich ihn hier einstellte. Wir hatten auch schon Mailkontakt, weil ich Fragen hatte zu Deiner Situation. Ich bin froh, dass Du Dich getraut hast, von Dir und Deiner Situation zu schreiben. Vor allem hast Du mir auch die Augen geöffnet bzw. mich daran erinnert: Gott mutet uns nur zu, was wir auch wirklich stemmen und leisten können. Und es scheint, er hat großes Vertrauen in Dich.
    Aber auch Du hast Vertrauen in Dich, in Dein Leben, in Deine Kinder. Und Deine Kinder sind großartig in ihren Antworten, die sie Dir gegeben haben auf Deine Frage: Warum lebe ich?

    Ja, warum?
    Danke für das schöne Gedicht und dass Du die Geschichte unvollendet gelassen hast.
    Einmal sollte man …

    Schönen Abend wünsche ich Dir bzw. Euch. Danke fürs Mitmachen und dran-bleiben und mit-lesen und mit-kommentieren.
    Herzlich
    Petra

    Gefällt 1 Person

  2. “ Und meine Seele spannte weit ihre Flügel aus
    flog durch die stillen Lande als flöge sie nach Haus“

    Joseph Freiherr von Eichendorff: „Mondnacht“

    Paul Marie Cassien
    Ich schaute die Sterne auf ihren Reisen an. Hörte ihr Atem, durch ihr Flüsstern, die Wärme ihr Lächeln wurde mir bewusst : Ich atme, lebe, kann fühlen, spüren, lieben … Frei und unbegrenzt so fern …

    Elbertinums Artikel auf Ipernity

    Wer und was bin ich
    5
    Das FREIE-ICH

    ?
    …. Ich weiß nicht wie – ich weiß nicht wann ….
    ?
    – Vor mir steht ein Haus in der Sonne –
    – davor sitzen meine Bekannten –
    Alina – Alino
    Manuel Manuela
    Nina und Nino

    Ich weiß nicht – ob ich gesehen werde –
    – doch ja –
    – Alle drehen sich zu mir um –
    – ein ungewohntes schönes Gefühl –

    Alina kommt freundlich lächelnd auf mich zu
    Sie begrüßt mich
    » Na – du Schreiber guter Geschichten
    Komm – setz dich zu uns.
    Ich wusste – dass du eines Tages zu uns kommen würdest. «

    Alle begrüßen mich mit einem freundlichen
    » Hallo «

    Das ist nun eine große Überraschung.
    Ich bin gespannt wie es weitergeht.

    » Wenn ich schon bei euch sein darf «
    so beginne ich die Unterhaltung
    » dann möchte ich mich hier
    ein wenig umsehen
    und – wenn möglich –
    an eurer Diskussion beteiligen. «

    » Aber gern doch – Alberto –
    Fühle dich bei uns nur wie zuhause. «
    Alina und Alino lächeln mir vielsagend zu.

    _______________________

    » Also « – beginnt Alino
    Wir sind gerade in einer interessanten Diskussion.
    Meine Frau hat den Beiden – Nina und Nino
    unsere Erkenntnis über die ‘Seele’ erzählt.
    Wir haben dafür zwei Wörter vorgeschlagen
    das FREIE-ICH
    das trifft exakter sein Wesen und seine Eigenschaften. «

    » Aber ich habe das Gefühl – Alino –
    da gibt es noch mehr zu klären.
    Ich habe einige Fragen
    die mich schon seit langem beschäftigen. «

    » Nun – dann lass mal hören «

    » Also –
    WO befindet sich das „Freie-Ich ? «

    » Na was meinst du denn – Alberto ? «

    » Oh – Alino – meine Meinung dazu ist:
    Die Seele wohnt hinter der Stirn.
    Die Inder malen dort einen roten Punkt.

    – Oder es wohnt vielleicht im Herzen – «

    » – Dort wohnt das Freie-Ich auch
    aber nicht nur da «

    – Ich überlege – Alino –
    » Ich habe mal gelesen –
    Die punktuelle Energie
    der Elektronen Neutronen und Positronen –
    aus denen der menschliche Körper besteht
    – passt auf eine Stecknadelspitze –
    – das heißt –
    wenn alle Elektronen an den Atomkern
    direkt angelagert werden könnten.

    Oder mit den Worten eines Atomphysikers:
    ‚ Hätte ich die Größe eines Elektrons
    dann würde ein menschlicher Körper
    von Innen aus betrachtet
    aussehen wie ein sternklarer Nachthimmel
    leuchtende Punkte im dunklen Himmelsraum ‚
    Die Zwischenräume wären dann vergleichbar
    mit einem elektrischen – magnetischen Feld
    oder dem Feld der Schwerkraft auf der Erde.
    ? Gibt es vielleicht ein
    Menschen-Feld ?«

    » Du bist nahe dran – Alberto –
    Das Freie-Ich wohnt tatsächlich
    in dem freien Raum.
    Aber es hat natürlich besondere Eigenschaften. «
    » Du machst mich neugierig – Alino – «

    » Um das abzukürzen – Alberto –
    Ich verstehe euch ja.
    Ihr Menschen habt nun mal
    von uns aus gesehen
    eine begrenzte Sinneswahrnehmung.

    Wir leben und wohnen
    in einer höheren Bewusstseinsstufe.
    Unsere Sinnesorgane sind feinfühliger.

    Aber – Alberto –
    deine Frage nach dem Platz
    des Freien-Ichs im Körper
    habe ich nicht vergessen
    doch davon später.

    Zunächst etwas anderes:
    Was ist Liebe –
    Was ist Freude
    ? Woher kommen diese schönen Gefühle ?
    – Was für Energien sind das –
    Was ist ein Leben ohne Liebe
    Was ist ein Leben ohne Freude
    Was ist Leben überhaupt.
    Diese Gefühle könnt auch ihr spüren.
    Ihr nennt das ‘Lebensgefühl’.

    Wenn ihr gesund seid
    ist das für euch selbstverständlich.
    Ihr achtet nicht darauf.
    Es ist einfach immer vorhanden.
    Und hier kommt eine neue Erkenntnis:

    Das FREIE-ICH äußert sich in Gefühlen

    Gefühle hat jeder Mensch
    Ein Mensch möchte gute Gefühle haben.
    Aber..
    Leider sind sie nicht immer da.
    Dann beginnt das Unbehagen
    und die Suche nach dem Schlüssel:
    WIE
    kann ich ungute Gefühle in gute Gefühle ändern ? «

    » Da habt ihr recht – Alino und Alina –
    das ist genau der Punkt:
    Da stehe ich hilflos da und traurig «

    Ich verstehe dich – Alberto –
    Doch jetzt kommt die nächste neue Erkenntnis:

    Das FREIE-ICH
    Kennt seine Ziele und Entscheidungen
    für diesen Planeten
    für diese Inkarnation.
    Folgt ein Mensch diesen Zielen
    – meistens unbewusst –
    dann fühlt er sich wohl.
    Genauer gesagt.
    Sein Freies-Ich
    signalisiert :
    ‘OK
    das ist gut.
    Mach weiter so ’ «

    » Oh – ich verstehe – was du meinst Alino «
    entfährt es Nina.
    » Ich wollte schon immer Lehrerin werden.
    Der Weg war nicht leicht –
    Aber jetzt bin ich froh in diesem Beruf «

    Und Nino ergänzt
    » Ich las schon oft von Männern oder Frauen
    die trotz großer Schwierigkeiten
    ihren TRAUM verwirklichten.
    Ein Mann bestieg
    ohne Sauerstoffmaske den Mont Everest.
    Dieses Ziel – seinen Traum –
    erfüllte er sich dank einer inneren Gewissheit.
    Auf dem Gipfel angekommen
    hatte er ein unbeschreibliches Gefühl
    von Dankbarkeit – Erfüllung – Schönheit.
    Vergessen waren die Strapazen des Aufstiegs «

    » Das sehe ich nun ein – Alino –
    Aber kann ich jetzt auf meine Frage zurückkommen.
    Sie ist noch immer unbeantwortet.

    WO wohnt die Seele –
    WO wohnt das Freie-Ich ? «

    » Da kann ich dir weiterhelfen – Alberto – «
    sagt Alina lächelnd »

    Und nach einer langen Pause:

    ….Das Freie-Ich wohnt…
    …nicht im Körper…
    ….der Körper wohnt vielmehr…
    …im Freien-Ich ….«

    » Das ist völlig neu für mich – Alina –
    – das ist ja ein völlig
    neuer Horizont «

    » Du hattest eine Frage – Alberto –
    nun hast du die Antwort .
    Wenn das die Wahrheit ist –
    dann wird dein
    Freies-Ich – deine Seele
    sich wohlfühlen «

    » Du hast recht – Alina «
    erwidert Alberto nach einigem Zögern
    » In Innern geht eine Sonne auf.
    Klarheit und Gewissheit erfüllen mich.
    Alles ist sanft hell und friedlich.«

    Und nach einer Pause:
    » So wie ich das Leben jetzt bei euch erfahren darf «

    Liebe Petra / Piri,
    beim Lesen Deines heutigen Eintrags ging mir so vieles durch den Kopf. Weißt Du, ich habe viele Jahre Traueransprachen gehalten, meist für Atheisten, aber auch ein Jude, ein Muslim (weil er mit einer katholischen Frau aus meiner angeheirateten Verwandtschaft verheiratet war) und viele christliche Menschen, deren Angehörige mir mehr vertrauten als einem Pfarrer. Dass das letzte Hemd keine Taschen hat, haben bis dahin alle begriffen.
    Aber ob das menschliche Leben wirkliche Wahlfreiheit hat, Bestimmung ist, Schicksal, Zufall oder was auch immer, ich selbst weiß, dass ich nichts weiß. Nur eines: Jeder ist ein Teil des Ganzen!
    Die Verbindungen sind vielfältig und unerklärlich. Die modernen Physiker meinen ja, dass jedes Partikelchen ein zugehöriges und verbundenes anderes hat, das gleichzeitig reagiert.
    Wenn man sich auf Meditation einlässt, es trainiert, dann kann man das fühlen. Es ähnelt den Gefühlen, die Albert (Elbertinum) in seiner Geschichte beschreibt.
    Hoffentlich ist dir das alles nicht zu viel Text. Aber ich musste heute so reagieren.
    Ich wünsche Dir so sehr, dass Du in Deinem Alltag mit Deinen „Junioren“ heute die Gefühle ihrer Lebensfreude teilen kannst!!!
    Deine Leserin Gerel

    Gefällt 1 Person

  3. Pingback: Totenhemdbeitrag | voller worte

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..