24.11. Dr. Gisela Matthiae: Wenn man aus meinen Knochen ein Kunstwerk machen würde ….

Kostnice03

„Kostnice03“ von word_virus – kostnice03. Lizenziert unter CC BY 2.0 über Wikimedia Commons – https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kostnice03.jpg#/media/File:Kostnice03.jpg

…. was würde mir dann gefallen?

Häuser, die über und über voll sind mit Knochen, Knöchelchen und Schädeln Verstorbener nennt man Beinhäuser. Wegen der Gebeine. Auf Latein sagt man Ossarium dazu. An manchen Orten stapeln sich Skelette, Schädel und nach Größe und Körperteil sortierte Knochen bis unters Dach. In Oppenheim zum Beispiel sind knochenmäßig 20.000 Menschen versammelt. Das kommt daher, dass Gräber nach einiger Zeit ausgehoben und die Knochen dann umgebettet wurden. Seit die Toten außerhalb der Ortschaften begraben werden und es genügend Platz gibt, braucht es anscheinend keine Beinhäuser mehr. Schade, denn das, was da zu sehen ist, ist durchaus dekorativ. Es hat eine eigene Ästhetik, jenseits von Grusel oder Galgenhumor.

Ich klopfe auf meinen Knochen herum und stelle mir vor, wie langlebig sie sind. Sie taugen als Klanginstrumente. Sie wären auch geeignet, um später aus ihnen irgendwelche Gebilde, Skulpturen, Ornamente zu fertigen. Die Familie Schwarzenberg hat aus ihren Knochen das Familienwappen nachbilden lassen. Es befindet sich mit unzähligen weiteren Kunstwerken in der sogenannten Knochenkirche in Kutná Hora bei Prag. Die Fürstenfamilie hat die Kirche Mitte des 19. Jahrhunderts von dem Holzschnitzer František Rint mit Knochen von über 10.000 Verstorbenen ausgestalten lassen. Darunter ist auch ein Kronleuchter, der aus allen 206 Knochen besteht, die unser menschliches Skelett ausmachen. Deckengewölbe, Girlanden, Fensternischen – beim genaueren Hinsehen bestehen sie alle aus Gebeinen.

Ich hätte gerne eine Skulptur aus mir, noch größer als ich schon bin, mit einer Leichtigkeit springend.

Was mir auch gefallen würde: Alle Knochen zu einem Mini-Päckchen zusammen-geschnürt, so klein wie es nur irgend geht. Oder wie wäre es, alle Knochen aneinanderzureihen zu einer langen, langen Kette?
Andererseits könnte ich mir auch vorstellen, wie sie alle einfach sortiert auf einem Haufen liegen, so eine kleine Pyramide bildend. Letztlich würde ich es einem Künstler, einer Künstlerin überlassen wollen, was man wie aus mir macht.

Der Gedanke würde mir gefallen: Jemand gestaltet ein Knochenportrait von mir. Leider wird das wohl nie der Fall sein, oder werden heute noch Ossarien gefüllt? Ich weiß es nicht. Doch auch schon die Gedankenspielerei macht Spaß. Ich habe nicht das Bedürfnis, damit eine Art Unsterblichkeit zu erlangen. Mir gefällt die Verwandlung darin, die Transformation meines langlebigsten Naturstoffes in etwas Anderes. Lebendige Totengebeine.

Gisela, das ist ja mal eine Überlegung! 🙂 Deinen knochigen Text kann man auch in Eurem clownigen Humorladen lesen.

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Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Allgemein von Petra Schuseil. Permanentlink.

Über Petra Schuseil

Als "alte" Frankfurterin pendel ich seit Anfang 2012 zwischen Frankfurt und dem Zürichsee hin und her. 64 bin ich jetzt und offiziell Rentnerin. Ich schreibe regelmäßig Morgenseiten, singe im Kirchenchor, und schwimme im Sommer täglich im Zürichsee. 2013 kam mein Buch "Finde Dein Lebenstempo" auf den Markt. "Wesentlich werden" so heißt ein anderer Blog von mir. Seit Ende 2014 gibt es unseren Totenhemd-Blog. Inzwischen sind wir ein Team: Juliane, Sigrid und Lutz schreiben mit. Wenn nicht jetzt, wann dann ist mein Lebensmotto.

4 Gedanken zu „24.11. Dr. Gisela Matthiae: Wenn man aus meinen Knochen ein Kunstwerk machen würde ….

  1. Ich war im vergangenen Jahr in Kutná Hora, dem Gebeinhaus mit den Überresten von rund 40.000 Menschen. Das Wappen aus Knochen ist nur eine der „Sehenswürdigkeiten“ dort. Es ist schon eindrücklich dort, eine Art morbide Faszination. Alle rennen mit ihren Smartphones herum und fotografieren wie wild.

    Kunst mit Knochen, das war im 16. Jahrhundert gar nicht beabsichtigt. Die Skulpturen aus Knochen und Schädeln wurden dann im 19. Jahrhundert geschaffen. Bei dem Material geht es nicht um die Individuen, von denen es stammt.

    Die Idee der Autorin aus den Körpern eines Menschen ein Kunstwerk zu schaffen, das stammt wahrlich aus dem 21. Jahrhundert. Individualismus pur. Ich, das Kunstwerk. Das gibt es schon als Angebot nach der Kremation: mit der Asche eines Menschen ein Bild malen. Wem’s gefällt…

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  3. Kürzlich bei der Führung auf dem Hanauer Friedhof ging es auch um die Knochen: wenn nach 20/25 Jahren ein Grab geräumt wird, sind die nämlich noch da. Eine Person habe die Knochen eines Angehörigen bei der letzten Räumung abgeholt. Aber ich erinnere mich nicht, wohin die Knochen normalerweise kommen. Ich glaube, sie bleiben einfach in der Erde, weil unsere Friedhöfe immer leerer werden und der Platz nicht gebraucht wird.
    Ich erinnere mich an ein Beinhaus in Altötting, direkt an der Kirche, wo die Knochen und Schädel aufbewahrt wurden. Ja, ganz schön fremd. Das würde sich doch heute keiner mehr trauen! Wieso eigentlich? Ist unser Körperkult und das „mein Körper gehört mir“ zu weit gegangen? Geht´s hier um „was ist uns noch heilig“? Oder wird es Zeit, dass wir mal wieder etwas mehr Leichtigkeit und Humor in die Sache kriegen? Dass wir uns auch hier ernst, aber nicht zu ernst nehmen?
    Danke Gisela, für deinen Beitrag! Er entstand durch diese Schleife: Petra postete hier im Blog das Heft „Tod & Leben“ zum Thema Humor, ich kaufte und schenkte es Gisela, sie las es, verriss das meiste im Heft, hatte aber Lust, über die Knochenkunst zu schreiben Voilá, einmal full circle :-)!
    Herzlich
    Annegret

    Gefällt 1 Person

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