27.11. Maureen Wyse: Kennst Du den Soundtrack deiner Beerdigung?

„Hä? Wie soll ich das denn wissen?“ fragt Susi. „Mit sowas Düsterem beschäftige ich mich besser gar nicht. Wenn ich nur daran denke, fallen mir so makabere Worte wie „Leichenschmaus“ ein. Wie kann man sich da überhaupt in Ruhe den Bauch vollstopfen? Ausserdem denke ich dann an lauter schwarz gekleidete, vor Gram gezeichnete, humorlose Menschen.

Es herrscht einfach eine Grabesstimmung!“

Ich schaue sie ungläubig an. Susi lenkt ein..

“Na ja, ist ja auch eine Trauerfeier. Wo, wenn nicht dort, darf eine Grabesstimmung herrschen. Eigentlich logisch..“

Sie nippt nachdenklich an ihrer Kaffeetasse…

„Ich habe mal gelesen, dass der Mensch sich entweder von etwas weg oder zu etwas hin bewegt. Eine Trauerfeier ist definitiv etwas, von dem ich mich weg bewegen will.

Und da kommst du mir mit Soundtrack??? Also ich verbinde mit Soundtrack legendären Parties!“

Ihre Miene hellt sich auf.

„Weisst du noch, als sie damals „I had the time of my life“ aus dem Film Dirty Dancing spielten?“ Und Marc zu mir sagte „ Mein Baby gehört zu mir“ und mich zum Tanzen aufforderte? Mein Gott, was haben wir da alle gekreischt!!!! Ich hatte meinen eigenen Patrick Swayze!!!! Das werde ich nie vergessen!!!“

Ich nicke und bin gespannt, was sie noch zu erzählen hat..

„Oh und weisst du noch als dieser Mistkerl mich dann später verlassen hat und ich am Boden zerstört war?“

„-Oh ja, das weiss ich noch!“, pruste ich laut auf.

„Ich bekomme jetzt noch Panikanfälle, wenn ich das Lied- „ I will survive“ von Gloria Gaynor höre. Rauf und runter hast du diesen Song gespielt.

Susi seufzt.

„Ich war soo unendlich traurig! Ich dachte, mein Leben ist vorbei ohne Marc und dieser Song hat mir irgendwie das Leben gerettet……“

Ich lächle, schweige und warte…..

„Ja, und dann als Oma gestorben ist. Ich war noch klein. Da sang mir Mama immer das Schlaflied vor, das Oma für sie damals immer gesungen hat. Es war ein altes Volkslied.. Und dann sagte sie: „Nicht traurig sein, solange wir dieses Lied in unserem Herzen haben, ist die Oma bei uns.“

Susi schluckt… „noch heute summe ich es, wenn ich nicht schlafen kann und denke dann immer an Oma.“

Plötzlich wird es ganz still. Obwohl wir in einem Café sitzen und das Leben um uns herum tobt. Es ist als hätte jemand die Zeit angehalten.

Susi wird auf einmal ganz ernst. Nach einer Weile sagt sie. „Du hast mich gefragt, ob ich den Soundtrack meiner Trauerfeier kenne.
-Nein, noch nicht ganz. Aber ich glaube, es ist wichtig, dass meine Angehörigen ihn kennen. Dass sie wissen, was mir wichtig war. Zu welchen Liedern ich gelacht oder geweint habe. Und ich möchte, dass sie die Lieder kennen, zu denen wir gelacht und geweint haben. Und ich möchte, dass meine Angehörigen ihre Lieder kennen. Die Lieder, die sie trösten….
Wenn ich so recht nachdenke, gibt es für jede Situation in meinem Leben ein Lied…

Du hast Recht, Maureen!“ – Susi ist jetzt ganz aufgekratzt.

Es gibt einen Soundtrack des Lebens! Und zum Leben gehört auch der Tod. Und der soll auch einen Song bekommen!“

Sie hat plötzlich einen sehr entschlossenen und auch verschmitzten Gesichtsausdruck.

Ich bin verwundert und sehe sie irritiert an.

„Du hast also doch schon einen Song gefunden?“,frage ich vorsichtig.

„Oh ja, da kannst du Gift drauf nehmen….“

„Jetzt mach es doch nicht so spannend!!!!“, bettle ich.

„I will survive, von Gloria Gaynor!“, sagt sie grinsend und nimmt zufrieden einen grossen Schluck aus ihrer Kaffeetasse…

Danke an Maureen, deren Blog nicht fertig wurde. Sie hat zwar noch nie „I will survive“ auf einer Trauerfeier gesungen. Dafür aber schon „Oh Happy Day“.

Hier entlang zu allen Informationen unserer Blogaktion.

 

5 Gedanken zu „27.11. Maureen Wyse: Kennst Du den Soundtrack deiner Beerdigung?

  1. So eine tolle Geschichte! Danke dir sehr, Maureen! Habe mir deine Musikbeispiele angehört. Eine im mehrfachen Sinn tragende Stimme.
    Interessant finde ich noch die Frage, ob der Soundtrack meines Lebens auch der ist, der beim Abschied „dran“ ist. Hier in der Blogaktion hat sich ja Martin Horstmann über seine Beerdigungslieder Gedanken gemacht: https://totenhemd.wordpress.com/2015/11/08/8-11-martin-horstmann-welche-lieder-sollen-auf-meiner-beerdigung-gesungen-werden/

    Anscheinend ist „Time to say goodbye“ ein beliebtes Lied für Beerdigungen, dann natürlich aus der Konserve. Für meinen Geschmack „Way over the top“. Aber vielleicht müsste es nur mal leiser und leichter gesungen werden…
    Viel Erfolg mit deinem großartigen Angebot der musikalischen Trauerbegleitung und: blogge weiter!!! Erzähl deine Geschichten!
    Viele Grüße
    Annegret

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  2. Liebe Maureen,

    p.s. Ich habe dieses Frühjahr einen guten Bekannten sterben sehen, der nur ein paar Jahre älter war als ich. Wochen später war seine Beerdigung und wir – sein musikalischer Freundeskreis – saßen nach der Trauerfeier und der stillen Beisetzung gemeinsam beim sogenannten Leichenschmauß in einem sonnigen Biergarten am Tegernsee.

    Der Wert dieses Essens und Trinkens sowie das sich gemeinsam über den oder die Verstorbene*n zu unterhalten ist, dass es die dunkle Seite mit der hellen des Lebens verbindet und mann/frau so den Schmerz der Trauer besser verarbeiten kann.

    LG Udo

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  3. Liebe Maureen,
    gratuliere zu deinem ersten Blogbeitrag.
    Das Thema ist ehrlich gut finde ich. Hab nämlich schon drei bis vier Songs gefunden, die meine Bandkollegen für den Fall der Fälle dann spielen sollen.
    2010 hab ich zu schreiben begonnen (nicht bloggen). Das Kapitel 9 in meinem ersten Buch heißt „Wann ist eigentlich mal Zeit für ein Testament?“
    Da gehört der (oder die) Song(s) reingeschrieben.
    Die Idee und die Geschichte von Dir haben mir gut gefallen und ich wünsche Dir alles Gute auf deinem neuen Weg als Bloggerin.
    LG Udo

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