Cornelia Coenen-Marx ist Pastorin, Autorin und Inhaberin der Agentur „ Seele und Sorge – Impulse, Workshops und Beratung“. Sie hatte zuvor verschiedene Positionen in Kirche und Diakonie- u.a. als Gemeindepfarrerin, Leiterin eines diakonischen Unternehmens, Oberkirchenrätin für Gesellschafts- und Sozialpolitik bei der Evangelischen Kirche in Deutschland. Im September 16 wird ihr neues Buch „ Aufbrüche in Umbrüchen“ erscheinen; 2013 erschien „ Die Seele des Sozialen“. Zu ihren derzeitigen Projekten gehören die „ Diakonischen Pilgerreisen“; mehr dazu unter http://www.seele-und-sorge.de
1. Sie beschäftigen sich mit (Ihrer) Endlichkeit.
Der Umgang mit Tod und Sterben gehört von Anfang an zu meinem Leben: als Kind im Pfarrhaus gehörte das Sterben der Urgroßtante, die meine Mutter pflegte, genauso dazu wie der Unfalltod von Freunden oder der meines Grundschulrektors am Heiligabend, der die Familienfeier jäh unterbrach, weil mein Vater zum Hausbesuch musste. Ähnlich ging es mir selbst noch in den 80er Jahren als Gemeindepfarrerin in einer Kleinstadt- und in der Leitung der Kaiserswerther Diakonie haben wir in einem begleiteten Palliative-Care-und-Ethikprozess daran gearbeitet, wie sich die Kultur in Krankenhäusern und Pflegeheimen ändern muss, damit wir in Würde sterben können. Denn so individuell sterben auch ist – schon meine Berufsbiographie zeigt, wie sehr wir dabei in gesellschaftliche Rahmenbedingungen eingebunden sind. Aber trotz aller beruflichen Erfahrungen, trotz vieler Projekte und Debatten- der Tod meiner Eltern und eine eigene Krankheitsphase vor zwei Jahren haben noch einmal etwas verändert: seitdem ist mir die eigene Sterblichkeit und Zeitlichkeit geradezu körperlich bewusst.
Welche Auswirkungen hat das auf Ihr Leben?
Ich bin aus dem institutionellen Funktionieren ausgestiegen, setze meine Arbeitsschwerpunkte bewusster, gehe wieder öfter ins Kino und ins Theater und achte mehr auf die Stressgrenzen, die mein Körper mir signalisiert.
2. Viele haben Hemmungen oder auch Angst, mit anderen über das Sterben zu reden. Wie ist das bei Ihnen? Was hat sich verändert?
Ich habe keine Angst davor, weil ich lange mit dieser Berufsrolle gelebt habe – Pfarrerinnen und Pfarrer gehören zu denen, mit denen man darüber reden kann. Mir ist es aber wichtig, so über das Sterben zu reden, dass ganz klar ist: das ist eben nicht das Tabu, das wir den Profis überlassen müssen, sondern Teil des Lebens, das wir selbst gestalten. So darüber zu reden, haben mir meine eigenen existenziellen Erfahrungen geholfen.
3. Ihr Vorschlag für einen guten Satzanfang, wenn Sie mit jemandem über solche Dinge wie Sterben, Vorsorge u.ä. reden wollen:
„Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es entlastend ist, sich frühzeitig zu überlegen …“
4. Wie ergänzen Sie diesen Satz der Künstlerin Candy Chang:
Bevor ich sterbe, möchte ich …
… noch einmal mit meinem Mann in den Nahen Osten reisen.
5. Was glauben Sie, kommt nach dem Tod?
Wir werden leben- in der neuen Schöpfung, in Vielfalt, Frieden und Versöhnung. Mich leitet das Bild vom neuen Jerusalem, das sich auf den letzten Seiten der Bibel findet; die neue Stadt der offenen Tore. Ich verstehe das Leben als Reise dorthin.
6. Wenn Sie in der Sterbe- und Bestattungskultur in Deutschland/ der Schweiz etwas ändern könntest, was wäre das?
Das Gesundheits- und Pflegesystem durchlässiger machen; Mehr Kirchengemeinden für Unterstützungsangebote in Palliativnetzwerken gewinnen, aber auch Angehörigen- und Familienzimmer, wie es sie in Hospizen gibt, in Altenheimen und Krankenhäusern einrichten! Vor allem aber: Das Bewusstsein schärfen, dass Abschiednehmen Zeit, vielfältige Rituale und Treffpunkte braucht, weil die überkommenen Rituale und ihre Bedeutung erodieren. Das geht alle an- auch Unternehmen, Schulen, Tageseinrichtungen für Kinder…Deshalb: Kompliment für Projekte wie „ Sterben macht Schule“ (Hospiz Pusteblume) und für diesen Blog!
7. Ihr Beitrag zu unserer Sammlung „100 Songs übers Sterben“.
Johann Sebastian Bach: „Bist du bei mir“ aus dem Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach.
8. Und sonst noch?
Die letzten Tage und Nächte am Sterbebett meiner Mutter im Appartement des Altenstifts gehören zu den intensivsten und schönsten meines Lebens: Auszeit, Klosterurlaub, tiefe Begegnung, Meditation und die Vögel am Morgen… Es entgeht uns Entscheidendes, wenn wir keine Zeit mehr zum Innehalten finden!
Link zur Webseite von Cornelia Coenen-Marx: www.seele-und-sorge.de
Pingback: Bist du bei mir | Totenhemd-Blog
Liebe Frau Coenen-Marx, Sie sind die erste in unserer Reihe. Wie gut es tut mit Ihnen übers Sterben zu sprechen … Danke, dass Sie bei uns sind und danke auch für Ihr Lob.
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