Wir reden übers Sterben … heute mit: Claudia Cardinal

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Claudia Cardinal

Claudia Cardinal ist Leiterin und Initiatorin der Sterbeammenakademie, Vorsitzende des Vereins Sterbeheilkunde e.V., Sterbeamme und Buchautorin. Link zur Webseite von: www.sterbeamme

CC hat nach dem einschneidenden Tod ihrer Tochter im Laufe von vielen Jahren in den Begleitungen von Menschen in existentiellen Lebenskrisen ihre Ausbildung konzipiert. Sie weiß, wie gefährlich es sein kann, wenn ein Mensch den Sinn des Lebens verliert. Ihre Arbeit hat diesen Aspekt immer im Blick und arbeitet mit den Betroffenen daran.

Unsere Gesprächspartnerin lebt in Hamburg, ist Mutter und Großmutter und ist engagierte Brotbäckerin :-).

1.   Sie beschäftigen sich mit (Ihrer) Endlichkeit. Welche Auswirkungen hat das auf Ihr Leben?

a.   Ich bin mir täglich meiner Endlichkeit bewusst. Das hat sowohl mit meiner Arbeit als auch mit dem Älterwerden zu tun. Die Auswirkung ist einfach: ich weiß, dass mein Leben eines Tages zu Ende ist. Deshalb nutze ich jeden Tag. Ich weiß, dass ich eines Tages auf meinem Totenbett sagen möchte: „Das war so gut hier, das sollte man/frau glatt noch einmal von vorn anfangen!“

2.   Viele haben Hemmungen oder auch Angst, mit anderen über das Sterben zu reden. Wie ist das bei Ihnen? Was hat sich verändert?

a.   Ich habe keinerlei Hemmungen mit Menschen über den Tod zu sprechen. Das kann ich beim Aufstehen, beim Abendessen oder sonst wann am Tage.

3.   Ihr Vorschlag für einen guten Satzanfang, wenn SIe mit jemandem über solche Dinge wie Sterben, Vorsorge u.ä. reden wollen:

Ich würde das Gespräch mit meiner Enkelin an den Anfang setzen. Sie fragte mich, als sie fünf Jahre alt war: „Sag mal, was wirst du tun, wenn du eines Tages tot bist?“ – Daraus entwickelte sich ein gutes Gespräch. Und ich bin sehr begeistert von dieser tiefen Frage. Und wenn ich diese Frage in einem Gespräch stelle, bin ich mit meinem Gegenüber sofort mitten drin im Gespräch.

4.   Wie ergänzen Sie diesen Satz der Künstlerin Candy Chang:
Bevor ich sterbe, möchte ich …

…. genügend gefeiert und gelacht haben, genügend Ideen gesponnen und umgesetzt haben. Und am Ende jeden Tages – wie am Ende des Lebens – einverstanden mit mir sein können.

5.   Was glauben Sie, kommt nach dem Tod?

Wer weiß? Vielleicht bekommen alle das, was sie sich wünschen? (Siehe auch: Lebe und lerne Sterben, Patmos 2007, „Das Reisebüro“)

6.   Wenn Sie in der Sterbe- und Bestattungskultur in Deutschland/ der Schweiz etwas ändern könntest, was wäre das?

a. Ich würde zuerst einmal Trauernde in die Abschiedsfeiern stark einbinden und sie selbst etwas tun lassen (das kann das Grab zuschaufeln sein, die Blumen selbst dorthin legen usw.) Ich würde Friedhöfe bauen, die Lebende einladen, ihre Zeit dort zu verbringen, damit Leben und Tod wieder zusammenfinden können. Ich stelle mir dort Grillplätze, Klagemauern, Ruheorte, Kerzenplätze (wie in katholischen Kirchen) vor. Ich würde überall Bänke aufstellen und ich würde eine große Wiese nur zum Ballspielen schaffen und dafür sorgen, dass Menschen gerne dorthin kommen (siehe auch: Patmos „Wir sehen uns“).

b. Ich würde den „Mief“ der Sprachlosigkeit und der unnatürlichen Steifheit gern erlösen

7.   Ihr Beitrag zu unserer Sammlung „100 Songs übers Sterben“.

a.   Ludwig Hirsch: „Großer schwarzer Vogel“
b.   Uncle Kacker: „Follow me“
c.    Smetana „Die Moldau“

8.   Und sonst noch?

Viele Grüße ……..

5 Gedanken zu „Wir reden übers Sterben … heute mit: Claudia Cardinal

  1. Pingback: 100 Songs: Uncle Kracker: Follow me | Totenhemd-Blog

  2. Pingback: 100 Songs: Komm großer schwarzer Vogel | Totenhemd-Blog

  3. Danke, liebe Petra, für das tolle Interview und danke, liebe Frau Cardinal für Ihre herzlichen Antworten. Leider klappt es aus verschiedenen Gründen bei mir/uns dieses Jahr mit der Ausbildung in Duisburg nicht (mein Mann und ich waren beim Infoabend), aber das Thema ist nur verschoben, nicht aufgehoben!!
    Zu den Friedhöfen: mein Vater liegt auf einem wunderschönen, mit altem Baumbestand eingewachsenen Friedhof am Rande eines Waldes. Unmittelbar vor seinem Grab steht zufällig eine der insgesamt viel zu wenigen Bänke. Ich bin sehr gern dort und nehme die Stimmung auf, höre dem Wispern der Bäume zu und bin meinem Vater ganz nah. Leider ist es nicht erlaubt Hunde mitzunehmen, daher muss ich, seit wir unseren Hund haben, den Friedhofsbesuch, der mit einer längeren Abwesenheit von Zuhause verbunden ist, immer mit Hundesitter organisieren …. blöd. Ich wäre auch für viel mehr Leben auf Friedhöfen! So wie ich das hier schon einmal über die Bräuche im Kaukasus berichtet habe …

    Liebe Grüße, Christine

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    • Liebe Christine, entschuldige meine verspätete Antwort. Ich hatte mich sehr gefreut, dass Du gleich kommentiert hattest. Das wäre doch mal was: Der Hund auf dem Friedhof. Aber ich befürchte, dann verkäme so manches Grab zum Hundeklo. Über die Hundehalter, die hier nicht so reinlich sind, will ich mich jetzt mal nicht auslassen ;-). Aber das hätte was: Allein der Lieblingshund der bei der Beerdigung dabei wäre. Herzzerreissend schön – finde ich.

      Für die Frankfurt-Ausbildung hab ich mich auch noch nicht angemeldet … sie beginnt hier im September. Mal sehen wie ich noch entscheide. Ich warte noch andere Termine / Überschneidungen ab. Aber es ist einfach sehr sehr interessant was CC in ihrem Curriculum anbietet. Nämlich genau das: dass wir Mut kriegen verkorkste bzw. verknorzte Bräuche aufzubrechen.

      Hab einen schönen Tag.
      Herzlich. Petra

      … sollte mal wieder einen Friedhofgang / Cemetery Talk organisieren 🙂

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  4. Liebe CC, ich finde es großartig, dass Sie sich Zeit genommen haben für unser Interview. Weiß ich doch, dass Sie in der Republik herumreisen zu den verschiedenen Ausbildungsplätzen zur Sterbeamme. Im September startet sogar eine Weiterbildung in Frankfurt!

    Vor zwei Jahren etwa haben wir uns in Hamburg kurz gesprochen, da war ich beim Info-Abend zur Weiterbildung. Ich liebe Ihre Bücher, ich finde sie großartig … Sie machen mich so froh … vor allem die vielen tollen Anregungen und Fragen, die Sie stellen.

    Ich finde es wichtig, dass wir das Lebensende verinnerlichen. Auch mein Ziel ist, mal „froh auf dem Sterbebett“ zu liegen um am liebsten noch mal anzufangen. Ich glaub, ich will nicht sterben ;-).
    Was können wir tun, um Friedhöfe lebendiger zu machen? Ich sollte mal wieder eiinen Cemetery Walk/Talk anbieten.
    Alles Gute weiterhin … Herzlich aus Frankfurt. Petra

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