Wir reden übers Sterben…heute mit: Sarah Benz

fullsizeoutput_7fIch bin Musikerin und Sozialpädagogin, arbeite auch als Seelsorgerin und Trauerbegleiterin und habe schon oft erlebt, wie wohltuend es sein kann, Gefühle in Musik auszudrücken.

Gemeinsam mit Jan Möllers und Karen Admiraal produzieren wir Kurzfilme zu den Themen Sterben, Tod und Trauer, als Impulse für Schule und Bildungsangebote, als Gedankenanstöße zwischendurch und als Einstieg für eine systematische Beschäftigung mit dem Thema Abschied und Sterblichkeit.

Sarggeschichten wird gefördert von der Deutschen Palliativstiftung.

1. Du beschäftigst dich mit (deiner) Endlichkeit (Beschreibe kurz). Welche Auswirkungen hat das auf dein Leben?

Ich bin mir nicht sicher ob ich mich viel mit meinem Tod beschäftige. Aber ich denke, dass ich durch meine Arbeit einen anderen Blick auf mein Leben bekommen habe. Es ist kostbar, nicht selbstverständlich und sehr fragil und zart, trotzdem kraftvoll und zuversichtlich. Gerade in der Notfallseelsorge habe ich immer wieder mit Menschen zu tun, deren liebste Menschen gerade aus dem Leben gerissen wurden, oft unerwartet, oft brutal. Das relativiert einiges, über das ich mich auch gern mal aufrege. Ist alles nicht so schlimm, denk ich dann. Ich wünsche mir, dass viele Menschen sehen wie kostbar und beschützenswürdig das Leben ist, nicht nur das von uns, sondern auch das der Tiere und Pflanzen und der ganzen Welt. Dann würden wir vielleicht zärtlicher mit einander umgehen und auch mit unserer Erde…

2. Viele haben Hemmungen oder auch Angst, mit anderen über das Sterben zu reden. Wie ist das bei dir? Was hat sich verändert?

Ich bin neben einem Friedhof aufgewachsen und in meiner Familie wurde über Sterben und Trauer gesprochen. Ich war da eher auch expressiv und bin es bis heute. Was sich verändert ist sicherlich der Wortschatz. Ich kann viele Dinge heute leichter in Worte fassen und habe mich mit mehr Perspektiven beschäftigt, die meine eigene Auseinandersetzung natürlich bereichert haben.Aber gerade deshalb bemühe ich mich immer wieder einfach zu werden im Gespräch mit anderen Menschen. Denn ich will ja, dass wir uns alle unterhalten können und nicht durch Fachsprache Leute ausgrenzen.

3. Dein Vorschlag für einen guten Satzanfang, wenn du mit jemand über solche Dinge wie Sterben, Vorsorge u.ä. reden willst:

Da fällt mir kein konkreter ein. Ich erzähle meist etwas von mir oder meiner Arbeit und die Leute fragen dann etwas. Wenn jemand nicht über das Thema reden will, respektier ich das. Für Vorsorgegespräche finde ich es allerdings wichtig, Menschen über alle möglichen Optionen aufzuklären, auch wenn sie manchmal sagen “nee, das will ich sowieso nicht”. Dann sag ich meistens: “Das ist völlig okay, lassen sie mich einfach mal erzählen was möglich ist, damit sie es wissen, ob Sie das dann machen liegt ganz bei ihnen.” In meiner Erfahrung müssen manche Dinge eine Weile im Herzen bewegt werden und manchmal entscheidet man sich dann doch anders.

4. Wie ergänzt Du diesen Satz der Künstlerin Candy Chang:
Bevor ich sterbe, möchte ich …

Ganz pragmatisch: Bevor ich sterbe möchte ich noch ein Album machen.

5. Was glaubst Du, kommt nach dem Tod?

Ich weiß es nicht. Ich glaube da kommt etwas. Aber es ist mir gar nicht so wichtig was dann kommt, sondern mit welcher Vorstellung ich hier und jetzt mein Leben lebe. Hab ich Vorstellungen, die mich jetzt trösten oder die mich jetzt eine Beziehung zu meinen Toten spüren lassen? Ich wünsche mir, dass es etwas über dieses Leben hinaus gibt, das uns die Lieben aus diesem Leben vielleicht in ein anders trägt. Aber ich finde auch den Zweifel wichtig. Das kleine Antriebsrädchen meine Vorstellungen oder Glaubensansätze immer wieder in Frage zu stellen. Was wäre, wenn es doch ganz anders ist als ich denke. Was sind die Erfahrungen, die mich an dem festhalten lassen, was ich glaube. Lebens- und Todeseinstellungen sind ja beweglich.

6. Wenn du in der Sterbe- und Bestattungskultur in Deutschland/ der Schweiz etwas ändern könntest, was wäre das?

Ich wünsche mir, dass wir Menschen uns einander mehr zumuten in unserem so-sein. Nicht nur in den “guten” Gefühlen, sondern auch in Traurigkeit und Wut, oder Angst und Verzweiflung. Ich denke es steckt ein großer Reichtum darin, sich mit allen Gefühlen befassen zu können. Bei Kindern merkt man oft, denen wird kaum ein Raum gegeben für negative Emotionen. Wir wollen sie schnell wieder fröhlich machen, aber die anderen Gefühle bedürfen auch einer Würdigung. Wenn Kinder erfahren, dass sie traurig oder wütend sein dürfen, können sie viel besser lernen damit umzugehen. Der Umgang mit Verlusten ist doch lebenswichtig für uns und das ist eine Fähigkeit, die man fördern kann. Und natürlich wünsche ich mir auch, dass es mehr und längere Abschiede gibt von den toten liebsten Menschen. “Begreifen kommt von Anfassen” heißt ein Kursmodul von mir und ich denke, es kann so hilfreich sein, wenn wir uns die Zeit nehmen, einen Tod mit allen Sinnen zu begreifen. Dabei tut es gut über alle Berührungsängste zu reden, zu erfahren was man eigentlich alles machen darf und zu spüren, was fullsizeoutput_78einem selber in dieser Situation gut tut. So holen wir uns unsere Abschiede zurück.

Ich bin ja sehr optimistisch, ich denke je mehr wir uns mit dem Tod auseinander setzen, desto mehr erfahren wir über das Leben und desto zärtlicher und aufmerksamer gehen wir mit unseren Mitmenschen um und unserer Welt. Da steckt für mich sogar Nachhaltigkeit und Umweltschutz drin 🙂

7. Dein Beitrag zu unserer Sammlung „100 Songs übers Sterben“.

Mmmm, das ist schwer. Es gibt ja so viele. Ich glaub übers Sterben würde ich Ludwig Hirsch “Großer schwarzer Vogel” nehmen. Aber ich hab gesehen, den gibt es bei Euch schon in der Sammlung. Da fällt mir noch ein, “The Lily” by Layla Zoe, auch wenn ich es nicht mag wenn in Texten vorkommt, dass man nicht traurig sein soll oder nicht weinen soll. Das beengt mich immer etwas, weil ich es wichtig finde, dass man auch um jemanden trauern darf, mit allen Facetten der Trauer und Tränen gehören dazu. Dann gibt es auch noch ein Lied von mir, das heißt “Gut”, darin geht es um die Zeit wenn man mit dem Verlust weiterlebt und merkt, es ist möglich diese Erfahrung in seinen Lebensweg mit einzubauen, sie wird ein Teil von mir. Auf meinem nächsten Album wird eine neue Aufnahme davon sein, momentan gibt es leider keine Fertige :).

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Hier geht es zu der Website von Sarggeschichten

Lieder und Begleitung für Abschiede: Sarah Benz

 

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Bestimmung + Persönlichkeit, Im Gespräch mit ... und verschlagwortet mit , , von Petra Schuseil. Permanentlink.

Über Petra Schuseil

Als "alte" Frankfurterin pendel ich seit Anfang 2012 zwischen Frankfurt und dem Zürichsee hin und her. 64 bin ich jetzt und offiziell Rentnerin. Ich schreibe regelmäßig Morgenseiten, singe im Kirchenchor, und schwimme im Sommer täglich im Zürichsee. 2013 kam mein Buch "Finde Dein Lebenstempo" auf den Markt. "Wesentlich werden" so heißt ein anderer Blog von mir. Seit Ende 2014 gibt es unseren Totenhemd-Blog. Inzwischen sind wir ein Team: Juliane, Sigrid und Lutz schreiben mit. Wenn nicht jetzt, wann dann ist mein Lebensmotto.

7 Gedanken zu „Wir reden übers Sterben…heute mit: Sarah Benz

  1. Pingback: „Der Tod steht uns gut“: vom Zeitungsartikel zum Telefonat mit Sarah Benz von Sarggeschichten | Totenhemd-Blog

  2. Pingback: sarggeschichten.de

  3. Liebe Petra,
    Dankeschön für Deine Zeilen ! Anscheinend blicke ich noch nicht ganz durch, wer geschrieben hat.
    Ich bin zu dem „Totenhemd“ gekommen, weil ich meine Kinder „verloren“ habe. Ich habe mich oft gefragt, ob es leichter ist, wenn sie gestorben sind ? Weil ich dann weiß, dass sie nicht mehr kommen und es endgültig ist. Ist es schwerer, dass sie noch leben und ich bei jeder Post, jedem Klingeln, wenn ich Frauen sehe „das könnten meine Töchter sein“ und dann sind sie es nicht ! Ist das nachzuvollziehen? Mit dem Loslassen habe ich mich intensiv befasst. Es tut jedes Mal so weh, wenn Menschen sagen „Du musst loslassen…..ach Du hast ja dieses und jenes…“
    Bei mir kommt dieser Satz so an, dass diese Menschen überhaupt nicht wissen, weder nachfühlen noch mitfühlen können, wie es ist. Mit den Kindern ist die Mutter über den Körper unsichtbar verbunden. Ich habe 8 Jahre Sterbebegleitung und die Ausbildung bei Christine Longaker gemacht, um „zu verstehen“ und ich habe eigentlich nichts verstanden. Jeder Mensch ist anders, sehr komplex. Es gibt keine Unterstützung für verstoßene Eltern, aber sehr viele Sterbebegleitunge. Wir verstoßenen Eltern leiden sicher mindestens genau so.
    Nur, dass wir hoffnungslos jahraus, jahrein, Tag für Tag warten und warten !
    Auch wenn wir unsere Zeit mit schönen Dingen füllen. Es ist so furchtbar, wenn dann immer wieder über „Ecken“ etwas über die Kinder hört ! Sie leben, sie wollen sich nicht mit uns zusammen auseinandersetzen !
    Das war mir jetzt ein Anliegen, warum ich im Totenhemd-Block bin.
    Schönen Abend !
    Birgit

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  4. Liebe Petra, Dein Beitrag hat mich sehr beeindruckt !
    Seit ich bei „totenhemd“ dabei bin, der berührendste, der mich zum Nachdenken anregt. Über einiges muss ich noch reflektieren. Du schreibst so anmutig über das Leben, wie kostbar und zerbrechlich es ist. Ich werde mir Deinen Text noch rausdrucken, denn einiges möchte ich noch tiefer sinken lassen!
    Mit meinen Eltern war es so schwierig bis sie „gehen durften“ und „es“ hat sich bis zu meinen Kindern fortgesetzt und Enkelkindern. Ich habe meine Geschichte „Verstoßene Eltern“ aufgeschrieben, um meine Kinder zu erreichen. Danach kam es noch schlimmer. Viele Male wollte ich gehen, für immer und habe kein Licht mehr am Horizont gesehen. Hoffnung ist für mich Illusion und gleichzeitig verbunden mit Enttäuschung. Ich vermisse meine Kinder unendlich und denke täglich an sie. Dann hat mich „Gott oder das Schicksal“ zum Hawaiianischen Hulatanz geführt und mich gerettet. Der Tanz führt mich noch mehr in meine geliebte Natur und zu dem die ich bin. Es ist eine Therapie ohne Dogma, ohne viel Gequatsche und wirkt aus mir selbst heraus. Meine kleine Gruppe besteht noch aus nur
    4 Frauen, die einzigartig sind.
    Du lebst in der Schweiz ?
    Ich lebe in einer Kleinstadt bei München.
    Ich wünsche Dir allen Segen und eine glückliche Adventszeit
    Birgit

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    • Liebe Birgit, diesen besonders schönen Text hat uns Sarah geschrieben. Sie hat uns Interviewfragen beantwortet.
      Und ich finde auch, dass sie wirklich sehr zart und nachdenkenswert geantwortet hat, sehr reflektiert ist. Du meinst also unbedingt Sarah, sie hat es wunderbar ausgedrückt.

      Und ja, ich lebe am Zürichsee. Sarah in Berlin.
      Alles Liebe und weiterhin schönes Tanzen.
      Herzliche Grüße
      Petra

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  5. Liebe Sarah, schön dass wir uns via Skype kennengelernt haben. Du bist vielseitig interessiert, machst so viele verschiedene Dinge, machst Musik und singst bei Trauerfeiern und hast mir von Deinem Trauercafé in Berlin erzählt. Wir sehen uns :-). Schön, dass Du bei uns bist mit Deinen antworten. Danke.
    Herzlicher Gruß vom See. Petra

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    • Liebe Petra, ich habe mich auch gefreut über unseren Kontakt!
      Schön, dass ihr diesen Blog macht, es ist so wichtig, weil viele Menschen gleiches fühlen, aber sich vielleicht nicht so auszudrücken wissen.
      Lass es Dir ganz gut gehen bis wir uns persönlich begegnen. Ich freu mich schon drauf!
      Viele liebe Grüße
      Sarah

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