Wir reden übers Sterben … heute mit: Ina Hattebier

img_5270Ina Hattebier lebt und arbeitet als freie Künstlerin in Hamburg. Sie setzt sich mit den Themen Trauer und Tod auf verschiedenen Ebenen intensiv auseinander, ist ausgebildete Trauerbegleiterin und gestaltet Urnen mit Papier.

  1. Du beschäftigst dich mit (Deiner) Endlichkeit. Welche Auswirkungen hat das auf dein Leben?

Die Beschäftigung mit der Endlichkeit des Lebens hat mir deutlich gemacht, wie stark gerichtet mein Leben ist: Immer habe ich Pläne, Wünsche und Vorstellungen, die ich verwirklichen möchte. Das ist alles in die Zukunft gerichtet. Ich nehme mir mittlerweile immer häufiger die Zeit das Jetzt oder den Moment wertzuschätzen.

  1. Viele haben Hemmungen oder auch Angst, mit anderen über das Sterben zu reden. Wie ist das bei Dir? Was hat sich verändert?

Das Sterben ist eine Tatsache, die mich mit allen anderen Menschen verbindet. Ich spreche gern mit anderen über meine Gedanken hierzu und befrage sie zu ihren Vorstellungen, das hilft mir eine eigene Haltung zu entwickeln. Vor kurzem habe ich mit anderen Kolleginnen hier in Hamburg ein Death Café organisiert (www.deathcafe.com), da hat mich sehr erstaunt, wie vielfältig die Erfahrungen der einzelnen Gäste waren. Mir ist dabei nochmal klargeworden, welch große Rolle die Toten in unserem Leben spielen und wie wichtig die Verbindung zu ihnen in unserem Alltag ist.

  1. Dein Vorschlag für einen guten Satzanfang, wenn Du mit jemandem über solche Dinge wie Sterben, Vorsorge u.ä. reden willst:

„Du, stell’ dir vor, neulich habe ich den Tod getroffen, er hat mir aufgetragen dir folgendes auszurichten …“ Nein, Spaß! Dafür gibt es keine Formel, das kommt meist aus dem Moment heraus. Ich gehe zum Beispiel mit meinen Urnen auf Designmessen und mache mit Kolleginnen Veranstaltungen zu den Themen Sterben, Tod und Trauer, da gibt es viele Möglichkeiten Fragen zu stellen. Meine Erfahrung ist, dass viele Menschen gern mal über den Tod sprechen, das sind dann sehr interessante und teilweise auch lustige Gespräche, die da zustande kommen. Oft beginnt so ein Gespräch anhand des Materials mit dem ich arbeite: Papier ist fragil und trotzdem beständig – das Thema Vergänglichkeit oder Veränderung ist da sehr naheliegend.

  1. Wie ergänzst Du diesen Satz der Künstlerin Candy Chang: Bevor ich sterbe, möchte ich …

… zusehen wie meine Tochter erwachsen wird. Eine gute Zeit mit meinem Mann und meinen Freunden haben, noch viele Sommer erleben, viele Projekte verwirklichen, neue Leute kennenlernen, spannende Themen entdecken….

  1. Was glaubst Du, kommt nach dem Tod?

Ich weiß nicht, was dann ist. Aber ich wäre gern ein Lächeln, das im Universum herumschwebt und winkt.

  1. Wenn Du in der Sterbe- und Bestattungskultur in Deutschland/ der Schweiz etwas ändern könntest, was wäre das?

Die Sterbe- und Bestattungskultur ist ja schon seit längerem in einem Veränderungs-prozess, zu dem ich mit meiner Arbeit gern einen eigenen Beitrag leisten möchte. Darüber hinaus träume ich davon, dass es mehr öffentliche Orte gibt, an denen Trauer und Abschied auch im weiteren Sinne einen Platz hat. Wir verlieren ständig etwas (Freunde, ein Stück Identität, Heimat usw.), sind traurig und gewinnen etwas Neues hinzu. Es wäre schön, wenn diese Prozesse auch in der Gesellschaft einen Ausdruck finden könnten. In Parks z.B. könnte es doch nicht nur Freude, Erholung und Spiel geben, sondern auch Raum für Abschiede, Rituale o.ä., dann würde spürbar, dass wir unseren je eigenen Kummer haben, die anderen aber auch. Das könnte tröstlich sein. Und mit öffentlich meine ich, unabhängig von Kultur, religiöser Ausrichtung, gesellschaftlichem Stand etc. zugänglich, unter freiem Himmel.

  1. Dein Beitrag zu unserer Sammlung „100 Songs übers Sterben“.

Da fällt es mir schwer, mich zu entscheiden, deshalb schlage ich hier gleich mal vier Stücke vor, die alle sehr unterschiedlich an das Thema Sterben herangehen. Aber diese Vielfalt gefällt mir auch, da gibt es eben nicht ein „so ist es“ …

Ingrid Caven, Die großen weißen Vögel: https://www.youtube.com/watch?v=bskZ74i8EPE

Ingrid Caven, In zehn Sekunden: https://www.youtube.com/watch?v=oL3TbLDHiEo&list=PL64983667E7386B0D&index=2

Daniel Johnston, Funeral home: https://www.youtube.com/watch?v=-UiXCF4W5a4

Amy Winehouse, Back to black

  1. Und sonst noch?

Ein Lied über Trauer mag ich sehr und möchte ich euch nicht vorenthalten:
Christian Gerhaher; „Rückert-Lieder“; Gustav Mahler
„Ich bin der Welt abhanden gekommen“, ab Minute 11:34

https://www.youtube.com/watch?v=zDnBtboSb6k

Herzlichen Dank für die Einladung mich hier auszubreiten 🙂

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www.andere-urnen.de und www.hattebier.de

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in 100 Songs, Im Gespräch mit ... und verschlagwortet mit , , von Petra Schuseil. Permanentlink.

Über Petra Schuseil

Als "alte" Frankfurterin pendel ich seit Anfang 2012 zwischen Frankfurt und dem Zürichsee hin und her. 64 bin ich jetzt und offiziell Rentnerin. Ich schreibe regelmäßig Morgenseiten, singe im Kirchenchor, und schwimme im Sommer täglich im Zürichsee. 2013 kam mein Buch "Finde Dein Lebenstempo" auf den Markt. "Wesentlich werden" so heißt ein anderer Blog von mir. Seit Ende 2014 gibt es unseren Totenhemd-Blog. Inzwischen sind wir ein Team: Juliane, Sigrid und Lutz schreiben mit. Wenn nicht jetzt, wann dann ist mein Lebensmotto.

3 Gedanken zu „Wir reden übers Sterben … heute mit: Ina Hattebier

  1. Pingback: Schöne und besondere Urnen | Totenhemd-Blog

  2. Mir haben Inas Antworten auch sehr gefallen. Vor allem auch, dass Du nicht weißt, was „danach“ kommt.
    Ina, danke dass Du dabei bist. Vor allem das Thema Death Café interessiert mich, dazu werden wir nächste Woche telefonieren. Freue mich.

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  3. Danke Ina, finde mich in Vielem wieder was du sagst. Besonders gut gefällt mir die Idee, im öffentlichen Raum Plätze für Trauer, Gedenken, vielleicht auch (sehr vorsichtige)Möglichkeiten für Trost einzurichten? (In der Trauerbegleiter-Ausbildung heißt es ja eher: Tröste nicht! Wo ja wat dran ist…)

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