Es war gar nicht geplant. Nach dem Abi ´85 hatte mich eine englische Freundin in ein Deutsches Altenheim in London vermittelt. Ich wollte ein bisschen Auslandserfahrung sammeln. Das Altenheim hatte sie in den Kleinanzeigen gefunden. Die „Matron“ des Hauses sucht deutsche Mädels, die mit den alten Damen Deutsch sprechen und in der Pflege helfen.
Es war meine erste direkte Erfahrung mit alten Körpern. Meine Großmütter hatte ich ja nie gewaschen. Diese wunderbaren alten Damen, die ihr Englisch hier und da schon ein wenig vergessen hatten und sich über so ein junges Mädchen freuten, brauchten meine Hilfe bei der Morgentoilette, beim Essen – und ein wenig Unterhaltung irgendwo zwischen Deutsch- und Englischland.
Und so geriet ich mit gerade mal 18 Jahren in „mein erstes Sterben“. Es war einfach so weit für Mrs. B.. Ich blieb bei ihr. Der aufgeblähte Leib, die zerzausten Haare, die zerwühlten Laken. Das schwere Atmen. Das nicht mehr Atmen. Das Alleinsein.
Denn da war sonst niemand, der sie (oder uns) begleitete.
Es war irgendwie gut.
Später, als sie – recht bald – vom Bestatter abgeholt worden war, begann ich die Laken zu waschen. Mit großer Verve. Ein Ritual – was auch immer. Ich bekam die riesigen Schweißflecken nicht heraus. Das hat mich mehr als alles andere irritiert. Der Abdruck eines vergangenen Lebens.
Mrs. B. hatte keine Angehörigen. Ich durfte mir von ihrem Schmuck etwas heraussuchen. Eine goldene Gliederkette mit Türkisen.
Danke, Mrs.B.
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Die Kette ist wunderschön.
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