![IMG-20181106-WA0003[6951]](https://totenhemd.files.wordpress.com/2018/11/img-20181106-wa00036951-e1541837487468.jpg?w=416&h=627)
von Magdalene sind alle Fotos uns frei gegeben
Jede und jeder trauert anders, die einen mit viel Tränen, die fließen und die anderen können nicht weinen, schon seit Jahren nicht. Truschka, seit dem Tod ihrer Mutter, als sie selbst erst ein Jahr alt war. Und jetzt ist vor drei Jahren ihr Sohn gestorben. Aber sie hat uns alle eingeladen zu ihren Patenschaftsgräbern auf dem Hauptfriedhof, nachdem ich ihr von meiner Idee erzählt habe.
Ich leite seit neun Jahren Trauergruppen und hatte schon immer die Vorstellung, auch auf dem Friedhof zu sein mit Trauernden und die Gräber ihrer Lieben zu besuchen.
Und dann immer dieses Lamento, „…der Tod wird tot geschwiegen in unsrer Gesellschaft und so weiter, …und in anderen Ländern ist es ganz anders, die gehen viel offener damit um“.
Zum Beispiel in Mexiko, am „dia de los muertos“, dem 2. November. Da wird gefeiert am Grab und zusammen gegessen mit der Familie und Freunden, mit viel Musik, Kerzen und die Verstorbenen sind im Geiste natürlich auch dabei. Natürlich ist dort Sommer, mit viel Blumen und bunt und bei uns ist halt November und eher kalt.
Ich hatte mal eine Nachbarin, die kam aus Polen, da ist es auch Brauch zu Allerheiligen/Allerseelen auf dem Friedhof zu sein mit Vielen. Mit Kerzen und mit Gebeten und an die Verstorbenen zu denken und auch gemeinsam etwas zu essen. Sie war ganz entsetzt, dass im November der Friedhof hier um 17.00 schließt. Sie ist dann über die Mauer geklettert um da zu sein, wo sie nach ihrer Tradition hingehört.
Und dann kam so langsam die Idee, wir machen das hier einfach auch. Wir treffen uns an einem Grab und wir essen zusammen. Es gibt Kaffee und Kuchen, Tee und Sekt. Wir feiern zusammen. Erzählen von denen, um die wir trauern. Sind nicht alleine damit und es ist ein bisschen wie Geburtstag oder Gedenktag. Und es darf traurig und lustig sein.
Die Frau mit dem Patenschaftsgrab war begeistert. „Oh ja ein Fest bei meinem Alex, der wird sich freuen.“ Und so ist es gekommen, dass wir uns nun schon zum zweiten Mal im November (2017 zum ersten Mal) bei ihr getroffen haben. Am Grab von ihrem Sohn.
Eine kleine Friedhofsbank wird umgestellt, Campingtisch mit Mini-Stühlen, ein Klappstuhl und ein Rollator, viele Decken. Jede/jeder bringt einen Teller, eine Tasse und etwas mit fürs Picknick.
Sie hat am Grab auf uns gewartet und den Tisch gedeckt mit Ahornblättern.
Und wir sind zu ihr gegangen durch den alten Teil des Frankfurter Hauptfriedhofs, haben ein bisschen geschwiegen und auch die geschmückten Gräber bewundert. Die Kerzen, die Blumen.
Haben die Menschen wahrgenommen, die auch unterwegs sind am 2. November.
Eine von uns war vor Jahren in Mexiko zu diesem Tag und sie hat erzählt wie bunt und lebendig es da ist. Dass ihr das gefallen hat, und dass für sie der Tod nicht nur traurig sein und verzweifelt sein heißt. Vor neun Jahren hat sie ihren Mann verloren, sie hat wieder Freude am Leben und sie freut sich auch auf ihren Tod.
Wir genießen Mandelkuchen und was es alles gibt. Alle erzählen etwas. Mit und ohne Tränen. Wir stoßen zusammen an. Grablichter und Wunderkerzen werden angezündet. Und es wird auch gesungen. Ich lese meinen Lieblingstext vor „Trauer und Klageräume brauchen wir“. (von Pierre Stutz).
Natürlich sind wir keine Mexikaner oder Afrikaner, aber wir haben uns inspirieren lassen. Auch wir können feiern und zusammen sein am Grab.
Schön war auch, dass die Jüngste aus der Gruppe, die um ihre Mutter trauert, gerade geheiratet hat. Und dass ihr Mann dabei war um das „Zusammensein im Andenken an Verstorbene“ und die Art zu trauern mit zu erleben und auch zu teilen. (Wir waren auf ihrer Hochzeit, die ganze Trauergruppe. Das hatte ihn sehr berührt)
Es tut gut Freude und Leid mit anderen zu leben. Und es ist bereichernd, dass Junge und Alte dabei zusammen sind, Menschen zwischen 39 und 78 Jahren. Einige waren aus meinen Trauergruppen, eine war bei der Fahrradtour mit Trauernden dabei, die andere ist mit ihrer Freundin gekommen.
Auf dem Weg zurück, alle bepackt, Gepäck etwas leichter natürlich, waren wir viele, auch die Verstorbenen waren irgendwie dabei. Es war schon ziemlich dunkel, überall Kerzen, versteckt.
Es hat sich gut angefühlt, bereichert und genährt waren wir.
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Magdalene Lucas, Gemeindepädagogin
Die Veranstaltung fand statt in Kooperation mit dem Planungsbezirk Evangelische Regenbogen- und Cyriakusgemeinde und dem Evangelischen Regionalverband, Fachbereich 1, Koordination Erwachsenenbildung/Seniorenarbeit.
www.Regenbogengemeinde.de/Trauer
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Liebe Magda, wir freuen uns sehr, dass Du mit diesem Erlebnis, deinem Text und Fotos bei uns dabei bist. Ich wäre gern dabei gewesen auf dem Frankfurter Friedhof. Das ist meine Vorstellung von gelebter Trauer auf dem Friedhof wo unsere Toten sind. Ich habe das Gedicht von Pierre Stutz gesucht und seine Website entdeckt und lese, dass er in der Schweiz aufgewachsen ist und nun in Osnabrück lebt.
Auf seiner Seite findet man wunderschöne Trauerkarten.
Außerdem habe ich hier einige wenige Gedichte aus seinem Lesebuch entdeckt.
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Worte & Bilder inspirieren mich sehr. Ja, ermächtigen wir uns selbst, in der Trauer das zu tun, was sich richtig anfühlt. Danke!
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Wunderbar! Dankeschön für diesen berührenden Bericht. Ja, wo und wie auch immer: der Tod, die Erfahrung mit Tod und STerben, das Trauern und Lachen unter Tränen gehört wieder ins Leben… darf durch-lebt werden und verlebendigt. Mehr davon!
Vielleicht kommen wir mal in Kontakt? Mein Beitrag kommt morgen. Bin seit ca. 2 Jahren nach fast 30 Jahren Pastoralreferentin freiberuflich als Trauerrednerin und Trauerbegleiterin tätig.
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Ich finde das sehr mutig. Wir sind anders gepolt und erzogen und in Konventionen verhaftet, doch ich denke, hier sollten Grenzen aufgehoben werden.
Nachdenklich,
Anna-Lena
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ja, fände ich auch schön, wenn sich da was veränderte mit der Zeit.
Danke fürs Mitlesen. Herzlich. Petra
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