Der alte Friedhof im einstigen Mallertshofen

Ist es Zufall?
Es scheint, als habe ich ein ganz besonderes Talent, einen Ort nach dem anderen anzusteuern, in denen Ortschaften verschwunden, die Kirche und der Friedhof drum herum aber erhalten geblieben sind.
St. Martin, die alte Kirche von Mallertshofen gehört ebenso dazu wie St. Clemens in Oberberghausen oder Heiligkreuz in Fröttmaning. Während die letztgenannten Orte jedoch wirtschaftlichen Interessen weichen mussten, ist Mallertshofen „einfach so“ von der Landkarte verschwunden – der verheerende Dreißigjährige Krieg war der Auslöser einer nicht endenden Abwanderung bis im 19. Jahrhundert die letzten Bauern ihre Höfe verließen. Zurück bliebt eine Wüstung. Und die Kirche.

Nun steht die Kirche da inmitten eines Naturschutzgebiets, dem Mallertshofer Holz und der Heiden, ganz in der Nähe des kleinen Mallertshofer Sees auf dem Gebiet der heutigen Gemeinde Oberschleißheim.Wie üblich ist auch diese Kirche geschlossen, als ich im Sommer 2021 vor ihrer Tür stehe. Ein vergittertes kleines Fenster in der schweren, metallbeschlagenen Tür lässt zumindest einen Blick in den kargen Innenraum erhaschen.

Ein lohnenswertes Ausflugsziel für Menschen im Großraum München, vor allem im nördlichen Teil der Region und – off topic: Für alle Hundehalterinnen und Halter ist das ein besonderer Teich, denn der Mallertshofer See gehört zu den wenigen Seen, die keine ausgewiesene Badegewässer sind, so dass man seine Hunde mitbringen und dort baden lasen darf, wenn auch der Weg durch Naturschutzgebiete führt, also Leinenpflicht angesagt ist.

Zurück zu St. Martin, der Kirche und seinem kleinen Friedhof.
Bei meinem ersten Besuch wies ein grimmig schauender ramponierter Porzellanengel, der in einer Baumgabelung stand, den Weg dorthin. Mittlerweile ist er verschwunden, abgestürzt, zerschollen, vielleicht vom eingedrungenen, gefrorenen Wasser im Winter gesprengt, vielleicht einfach nur von jemandem entfernt.
Ich mag diese kleinen, etwas deplatziert wirkenden Objekte am Wegesrand. Sie alle haben eine Geschichte, die sich allerdings auch dem, der sie entdeckt, nicht mehr erschließt. Zu gern würde ich die Geschichte erfahren, aber ich kann sie mir nur zusammenphantasieren. Und gleichzeitig fürchte ich, dass sie, würde ich sie hören, doch ziemlich banal ist. Dann líeber die eigene Phantasie bemühen…

Porzellanengel an einem Baum

Und ich mag das halbe Dutzend schmiedeeiserner Kreuze, das verstreut auf einer Wiese steht und nur noch erahnen lässt, wo sich einst vielleicht ein Grab befand. Vanitas vanitatum et omnia vanitas – Eitelkeit der Eitelkeiten, und alles ist Eitelkeit. Und alles vergänglich. Womit ich einmal mehr greifen kann, was  Andreas Gryphius in seiner barocken Lyrik, für die ich ein besonderes Faible habe, zum Ausdruck brachte. Denn geblieben ist von Mallertshofen eben buchstäblich nichts – außer einer kleinen Kirche und einem Friedhof, auf dem nicht einmal mehr die Gräber zu erkennen sind.
Längst sind die Namensschilder auf den Kreuzen unlesbar geworden. Und doch steht unter nahezu jedem eine Kerze, ein ewiges Licht. Irgendwer, der die Anlage pflegt, denkt auch heute noch immer auch an die Toten. Wer? Warum? Was treibt sie oder ihn an?

Ich finde das schön und irgendwie tröstlich.
Die Sonne scheint, Wind lässt die Blätter in den Bäumen rauschen, hin und wieder wehen Stimmen herüber, wenn Menschen auf dem Weg, der durch die Heide führt, vorbeiradeln. Ganz in der Nähe der Großstadt München, die doch unendlich weit entfernt ist; am Rand einer Heide und eines Waldes, die heute Naturschtzgebiet sind und einst als Truppenübungsplatz fungierten. Alles ändert sich.

Das einzig schier Unvergängliche hier sind die in einen Grabstein eingeflochtenen Plastikpflanzen. Ein Detail, das mich schmunzeln lässt.

Ein Gedanke zu „Der alte Friedhof im einstigen Mallertshofen

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