Wehrhaft steht sie da, die alte Kirche Stanta Maria d’Antradtx, fast ein wenig Abseits vom Zentrum des kleinen Ortes, der kaum 12.000 Einwohner hat. Über der Stadt thront sie und zeugt von der Geschichte dieses Städtchens, das sich zahlreicher Anstürme nordafrikanischer Piraten erwehren musste, denn Antradtx liegt am westlichen Ende der Ferieninsel Mallorca. Ein gutes Stück muss man hinein von der Küste und hinter Andratx türmen sich die Berge auf.
Zwischen der Kirche und den Bergen liegt der kleine Cementeri Municipal d’Andratx, der städtische Friedhof, etwa 8.500 qm groß bzw. klein, wenig spektakulär, kein Ort für Touristen. Niemand, den man kennen müsste, liegt dort begraben, kein Promigrab, das man besuchen müsste.
Das heißt aber nichts, einen Besuch ist er trotzdem wert – schon allein, weil sich Besuche von Friedhöfen in fremden Ländern immer lohnen. Finde ich jedenfalls. Die Bestattungskultur in den heißen Mittelmeerländern zum Beispiel unterscheidet sich wesentlich von der unsrigen:Erdbestattungen sind selten – der Boden ist hart, felsig, eine wahre Plackerei ist es, ihm die Toten anzuvertrauen. Ein passendes Loch ist nicht mal eben schnell ausgehoben.
Außerdem, so erfahren wir, sind Erdbestattungen eher anrüchig, eher das Armengrab.
Die Toten werden in Kammern bestattet, diese Kammern sind – je nach Vermögen der Hinterbliebenen – eher schlicht oder regelrechte Totenhäuschen.
Sehr eindrucksvoll erzählt Sigrid Tinz in ihrem reichlich bebilderten Beitrag Cementiri de Palma: Mallorcas Hauptstadtfriedhof hier im Blog von ihren Eindrücken bei einem Friedhofsbesuch in Palma. Der liegt etwa 20 Kilometer Luftlinie östlich. In Andratx geht alles ein paar Nummern kleiner zu.Totenhäuschen aber gibt es auch hier und mehr geschossige Sargkammern, vier übereinander. Mal tragen die Kammern gemeinsame Namen, sind Angehörige der Familie beieinander bestattet, meist aber nicht.
Nach fünf Jahren werden die sterblichen Überreste kremiert, so lese ich es in einem Buch über Mallorca, die Urne wird beigesetzt, die Sargkammer aufgelassen und neu genutzt.
Das erklärt, warum an vielen dieser Kammern, in die doch eigentlich nur ein Sarg hineinpasst, mehrere Namen stehen, mehrere Portraits Verstorbener angebracht wurden.
An so mancher Grabkammer sind Halterungen für Vasen befestigt, aber Blumen sucht man zumeist vergeblich auf diesem Friedhof. Das trockene, mediterrane Klima würde ihnen auch kein allzu langes Leben erlauben. Ihren Platz füllen hier und da schier unverwüstliche Plastikblumen, kleine Engel aus Stein oder Gips, wie sie auch hierzulande sehr oft auf Friedhöfen zu finden sind.
Gelegentlich verdeckt eine bepflanzte Schale den Blick in eine aufgelassene Grabkammer. Dann stößt der Blick der Vorbeigehenden nicht ganz so ins Dunkle, ins Leere.
Zwischen den Mauern stehen alte, knorrige Bäume. Sie tragen Früchte, als wir den Friedhof besuchen: Orangen. Die leuchtenden Farben der Südfrüchte und die grünen Blätter bilden einen harten Kontrast ab zu den sandsteinhellen Grabhäuschen und Mauern.
Und stände nicht vor dem Friedhof eine Trauergesellschaft, von der nicht ganz ersichtlich ist, ob die Beerdigung bereits stattgefunden hat oder in Bälde beginnen wird, hätten wir uns vermutlich nicht diskret zurückgezogen. Gut zwei Dutzend Menschen stehen beieinander und reden.
Da stören wir Fremden nur.
Ein letzter Blick gilt der alten Totenkutsche im Entree des Friedhofs.Steht der Leichenwagen nur zur Zierde da, als Museumsstück quasi oder wird er tatsächlich noch benutzt?