100 Songs: Bert Brecht/Paul Dessau – Lied der Mutter Courage (1941)

Heute, am 24.02.2023 jährt sich zum ersten Mal der Tag, an dem Russland seinen Nachbarn, die Ukraine überfiel und das Land mit Krieg, Terror, Mord, Vergewaltigungen, Plünderungen und vielen anderen Verbrechen überzog. Die Bilanz des Krieges, der eigentlich nach Putins Vorstellungen nur ein paar Tage dauern sollte: Weit über 100.000 Tote, mindestens 15.000 vermisste Menschen, über 14 Millionen Menschen auf der Flucht. Unzählbar die Menge der Verletzten, Verwundeten, Verstörten.

Eine Ende ist nicht abzusehen und die Perfidie bei dem, was dort geschieht, scheint keine Grenzen zu kennen.
Nein: Es nützt nichts, dagegen anzusingen, dagegen anzubloggen, dagegen anzudichten und zu schreiben. Auch nicht, gegen den Krieg auf dem Theater zu spielen.
Es ändert nichts. Es ändert nicht mal unser Bewusstsein, denn der Krieg ist in allen klassischen, analogen, digitalen und sozialen Medien allgegenwärtig, auch wenn der Fokus dort hin und wieder auf anderen Inhalten liegt; wir alle wissen, sofern wir es denn wollen, was am Ostrand Europas stattfindet. Und nicht nur dort: Krieg und Elend, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, gegen Menschenwürde und -rechte werden Tag für Tag gemeldet. Aus vielen Ländern.
Und in vielen Fällen, machen wir uns nichts vor, geht es am Ende allein um Eines: Um Macht und Geld, was nicht selten das selbe ist bzw. in der selben Hand liegt.

1941 wurde in Zürich Bertolt Brechts Schauspiel Mutter Courage und ihre Kinder uraufgeführt, die Songs und Balladen vertont von Paul Dessau. Es entstand damals unter dem Eindruck des Zweiten Weltkriegs, der unschwer im Stück zu erkennen ist, auch wenn die Geschichte in den Dreißigjährigen Krieg zurückverlegt wurde.
Mutter Courage und ihre Kinder ist das Herz- und Vorzeigestück des brechtschen epischen Theaters, eines seiner meistgespielten Werke, fester Bestandteil des Kanons literarischer Schullektüre und heute ein Klassiker auf der Bühne. Ganze Bibliotheken ließen sich mit Analysen und Interpretationen füllen. Am Ende aber geht es um das, was der Krieg letztendlich mit dem Menschen, vor allen den kleinen Leuten macht.

Aus gegebenem Anlass (und bereits angekündigt, weil bereits in anderem Zusammenhang erwähnt ) heute also das vollständige Lied der Mutter Courage, der Frau, die jahrelang vor dem Krieg und seinem Grauen die Augen verschließt, als Marketenderin versucht, sich herauszuhalten und statt dessen aus dem Krieg Profit zu schlagen und am Ende doch zu dem Résumé kommen muss: „Der Krieg soll verflucht sein.“
Ein Lied kann einen Krieg nicht beenden, auch ein Theaterstück nicht. Aber es kann unser aller Bewusstsein schärfen, welch grauenhafte Taten, welches Unrecht und wie viel Leid er mit sich bringt. Abstrakter und distanzierter als die Realität – aber deshalb nicht weniger eindringlich.

Helene Weigel und Bert Brecht bei den Proben zum Stück am Berliner Ensemble

Das Lied der Mutter Courage passt vielleicht nicht ganz hier in den Kontext des Blogs – aber es passt zu diesem Tag.

Ihr Hauptleut‘, lasst die Trommel ruhen
Und lasst euer Fußvolk halten an!
Mutter Courage, die kommt mit Schuhen
In denen’s besser laufen kann!
Mit seinen Läusen und Getieren,
Bagage, Kanone und Gespann –
Soll es euch in die Schlacht marschieren,
So will es gute Schuhe han!

Refrain:
Das Frühjahr kommt.
Wach auf, du Christ!

Der Schnee schmilzt weg, die Toten ruh’n
Und was noch nicht gestorben ist,
Das macht sich auf die Socken nun!

Von Ulm nach Metz, von Metz nach Mähren –
Mutter Courage, die ist dabei!
Der Krieg wird seinen Mann ernähren,
Er braucht nur Pulver zu und Blei!
Und geht er über deine Kräfte,
Bist du beim Sieg halt nicht dabei.
Der Krieg ist nichts als die Geschäfte
Und statt mit Käse, ist’s mit Blei!

Refrain

Mit seinem Glück, seiner Gefahre
Der Krieg, er zieht sich etwas hin
Der Krieg, er dauert hundert Jahre
Der gemeine Mann hat kein‘ Gewinn!
Ein Dreck sein Fraß, sein Rock ein Plunder
Sein‘ halben Sold stiehlt’s Regiment.
Jedoch vielleicht gescheh’n noch Wunder –
Der Feldzug ist noch nicht zu End!

Refrain

Ein Gedanke zu „100 Songs: Bert Brecht/Paul Dessau – Lied der Mutter Courage (1941)

  1. Ja, der Krieg frisst. Braucht Nachschub … Material … und auch „Menschenmaterial“.
    Endet in Katastrophe … oder in dem er „nicht mehr weiter gefüttert wird“ … sprich: eine Seite sich zurückzieht.
    Siehe zB Afghanistan, zB auch Vietnam und vermutlich noch viele weitere malträtierte und gequälte Länder auf unserm Planeten …
    Zum Heulen … das Ganze.

    Wenn ich zurückblicke – heute – auf die Zeit ab 1945 … so kommt es mir im Nachhinein so vor, als wäre die ganze Zeit „Krieg“ … gewesen … irgendwie war immer irgendwo Krieg … dann sind wir also schon im 78. Jahr des III. Weltkriegs …
    nur das er so nicht benannt wird …

    Mutter Courage hatte kein Interesse am Kriegsende.
    Haben wir es heute wirklich???

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