An diesem Tag habe ich vielleicht unter dem Tisch gesessen. Vielleicht ist es auch ein Abend gewesen und vielleicht bin ich auch oben auf der Treppe gewesen, weil ich schon ins Bett gebracht worden bin und schlafen sollte. Bestimmt haben sie auch mal gelacht an dem Tag oder Abend. Nur auf dem Foto nicht, das an der Pressspanwand herunter rutscht, als ich die Regalböden leere von dem sie mich jetzt ansehen. Alle, nur sie nicht. Sie sieht am wenigsten froh aus. Bei den anderen könnten die Luftschlangen und der Alkohol gewirkt haben, bei ihr nicht. Dafür haben bei ihr die Zigaretten den weitreichendsten Effekt gehabt. Sie hat früh alt ausgesehen und ist auch als erste gestorben. Auf den Fotos sieht sie aus, als hätte sie das schon damals nicht verstanden und ungerecht gefunden. Sie ist die einzige, die in eine andere Richtung schaut, oder wie ich lange geglaubt habe, jedenfalls nicht mich ansieht. An dem Tag oder Abend, unter dem Tisch oder oben an der Treppe, habe ich sie auch nicht wirklich gesehen, alle nicht. Doch gehört, reden, lachen, diskutieren, die Gläser haben geklirrt und sind auf der Marmorplatte des niedrigen Couchtischs, unter den ich damals gepasst habe, abgestellt und hin und her geschoben worden, das Rädchen der Einwegfeuerzeuge, die Korken der Wein und Weinbrandflaschen und das scheinbar genüssliche Ein- und Ausatmen beim Rauchen. Ich meine all das heute noch zu hören und die dicke Luft zu riechen, die 8×4 und Grüner Apfel Shampoo im Laufe des Abends aus dem Wohnzimmer mit der niedrigen Kassettendecke vertrieben hat. Was ich gedacht oder gefühlt habe, weiß ich nicht mehr. Ganz sicher etwas ganz anderes als jetzt gerade, wo ich weiß, was ich weiß und ahnen hab’ ich das nicht können, oder hab’ ich? Jetzt würde ich ihr wünschen, noch da zu sein. Und dass sie an dem Tag oder Abend mehr Spaß gehabt hätte, sie auch eine Luftschlange um den Hals oder auf der Frisur gehabt hätte, ihr das nicht zu albern gewesen wäre und der Alkohol und die Zigaretten nicht notwendig für eine Sause. Dass sie ein Bild oder eine Fototapete auf die leicht vergilbte Wand geklebt und vielleicht andere oder mehr Freunde gehabt hätte, mehr jedenfalls als auf dem Foto oder als zu ihrer Beerdigung gekommen sind. Ob sie auch all das bedauert hat und wenn nicht, was dann, hab’ ich sie nie gefragt. Vielleicht ist alles so gut für sie gewesen. Es hat sich ja gut angehört an dem Tag oder Abend für mich. Doch heute sieht es nicht mehr gut aus. Ich lege das Foto zu den Büchern und den kitschigen Glasfiguren, die ich ausräume und die sie irgendwann begonnen hatte zu sammeln, bis zwei Regalböden voll damit gewesen sind und sie zu sammeln aufgehört hat und sie mit großer Regelmäßigkeit und Hingabe abgestaubt hat. Sogar Staubtücher die ausschließlich für die dünn geblasenen Schwäne, Ponys, Kätzchen und Spatzen verwendet worden sind, hat sie angeschafft. Alles liegt jetzt in den Kisten, die unter und auf dem Couchtisch stehen und morgen abgeholt werden.
