Über LP

Mal böse, mal artig, mal bösartig. Satirisch, unabhängig, kritisch, motzig, ironisch - ganz wie es die Situation erfordert. Beobachtend, lauernd, zubeißend. Der will eben nur spielen.

In der Mühldorfer Hart

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus der vierteiligen Serie In der Mühldorfer Hart, die ich im März 2023 auf meinem Blog veröffentlicht habe. Wer weiterlesen und tiefer in die Thematik eintauchen möchte, findet unter diesem Link alle Teile, meine Eindrücke und viele Bilder.

Ein Vogelzwitschern hier und dort in den Bäumen, die Sonne hat den Hochnebel erfolgreich zurückgedrängt, es liegt so etwas wie Frühling über der Mühldorfer Hart. Zumindest kann man ihn erahnen. Die Mühldorfer Hart ist ein etwa 1100 Hektar großes Waldstück, zumeist mit Fichten und Kiefernbestand, ein Wald, der wie so viele, gerade im Umbau befindlich ist. Nadelgehölze werden ausgeschlagen, junge Buchen wachsen, Birken und Schwarzerlen.

In der Mühldorfer HartHin und wieder bellt ein Hund, ein fernes Grummeln am Himmel erinnert daran, dass der Münchner Flughafen nicht allzu weit entfernt ist.
Ansonsten Stille. Friedliche Stille. Ein Wald im März.
Idylle pur. Weiterlesen

100 Songs: Claude François – Comme d’habitude (1967)

1967 veröffentlichte Claude François in Frankreich das Chanson Comme d’habitude. Für Text und Musik verantwortlich waren Claude François, Jacques Revaux und Gilles Thibault. Ein Riesenerfolg wurde es nicht. Zumindest nicht in dieser Fassung.
Es sollte wie so oft noch eine Weile dauern und der Song einen Umweg über Amerika nehmen, bis er zu einem Welthit wurde: My Way. Seitdem haben ihn unzählige Künstler*innen gecovert, neu interpretiert, er gehört sicher zu den bekanntesten Liedern der Welt, nicht zuletzt, weil viele Entertainer es zum Abschluss ihres Live-Auftritts gesungen haben. Allen voran der unvergessliche Frank Sinatra. Es wird Zeit, auch dieses Lied hier im Blog näher vorzustellen. Weiterlesen

100 Songs: Bert Brecht/Paul Dessau – Lied der Mutter Courage (1941)

Heute, am 24.02.2023 jährt sich zum ersten Mal der Tag, an dem Russland seinen Nachbarn, die Ukraine überfiel und das Land mit Krieg, Terror, Mord, Vergewaltigungen, Plünderungen und vielen anderen Verbrechen überzog. Die Bilanz des Krieges, der eigentlich nach Putins Vorstellungen nur ein paar Tage dauern sollte: Weit über 100.000 Tote, mindestens 15.000 vermisste Menschen, über 14 Millionen Menschen auf der Flucht. Unzählbar die Menge der Verletzten, Verwundeten, Verstörten.

Eine Ende ist nicht abzusehen und die Perfidie bei dem, was dort geschieht, scheint keine Grenzen zu kennen.
Nein: Es nützt nichts, dagegen anzusingen, dagegen anzubloggen, dagegen anzudichten und zu schreiben. Auch nicht, gegen den Krieg auf dem Theater zu spielen.
Es ändert nichts. Es ändert nicht mal unser Bewusstsein, denn der Krieg ist in allen klassischen, analogen, digitalen und sozialen Medien allgegenwärtig, auch wenn der Fokus dort hin und wieder auf anderen Inhalten liegt; wir alle wissen, sofern wir es denn wollen, was am Ostrand Europas stattfindet. Und nicht nur dort: Krieg und Elend, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, gegen Menschenwürde und -rechte werden Tag für Tag gemeldet. Aus vielen Ländern. Weiterlesen

100 Songs: Rammstein – Adieu (2022)

Die Fanbase kann schon Wundersames bewirken. Als das niederländische Online-Magazin metalfan.nl die Frage stellte, welcher Song denn für die Beerdigung der beste sei, stimmten die User für Rammstein. Für Adieu. Bemerkenswert daran: Der Song stand nicht mal in der Vorauswahl, wie man einer Pressemeldung, die im Februar 2023 durch die Szene und die Sozialen Medien ging, entnehmen konnte und Metal-Hammer ein wenig süffisant feststellte: „Für die Macher des Metal-Portals war das Lied offenbar zu langsam. Doch die Fans haben ‘Adieu’ so oft in den Kommentaren zur Umfrage in den Sozialen Medien erwähnt, dass ein Sieg unumgänglich war.“

Das wundert nicht weiter, der Text passt zu dem Anlass perfekt, so gut, dass nach Veröffentlichung des Albums Zeit das Gerücht aufkam, das war’s dann wohl. Rammstein verabschiedet sich, löst sich auf. Weiterlesen

Am Sterbebett der Mutter – eine Romanpassage

Johannes Gillhoff, Bildquelle unbekannt

Zur Erklärung eine kurze Vorgeschichte:
Während meines Studiums beschäftigte ich mich in einem Seminar auch mit der Ars moriendi, der Kunst des Sterbens, an sich einer mittelalterlichen literarischen Gattung. Es ist eine Art Erbauungsliteratur, die dem Gläubigen den Übergang vom Leben zum Tod nicht nur erleichtern, sondern auch erklären sollte.
Im weitesten Sinn gehört zur Ars moriendi auch die Schilderung von Sterbeszenen in an sich anderer Literatur und so war unter anderem Teil des Seminars, ein Blick in das Buch Jürnjakob Swehn, der Amerikafahrer von Johannes Gillhoff zu werfen. Sicherlich ist dieser kleine Roman weder Welt- noch Erbauungsliteratur. Der Briefroman erschien 1917, Gillhoff verwandte darin Briefe des Auswanderers  Carl Wiedow, die dieser dem Vater Gillhoffs, der Dorfschullehrer war, geschrieben hatte. Das Buch erzählt in Briefen die Geschichte eines Amerika-Auswanderers aus dem Mecklenburgischen in der Mitte des 19. Jahrhunders, der seinem alten Dorfschullehrer immer wieder von seinem neuen Leben und den Erlebnissen in der neuen Welt berichtet.
In einer Passage schildert er den Tod seiner Mutter, sehr feinfühlig und anrührend. Es lohnt, diese Passage hier in Ausschnitten wiederzugeben. Sie ist ein Ausnahmestück in dem Briefroman, der ansonsten eher geprägt ist von Humor, von der Naivität der Auswanderer ohne große Bildung, von Frömmigkeit und Rechtschaffenheit, von Bibelzitaten und Erinnerungen an die zurückgelassene Heimat (Was heißt: Den Roman muss man nicht unbedingt gelesen haben).
Aber diesen Abschnitt schon, es lohnt sich. Weiterlesen

100 Songs: Sarah Connor – Das Leben ist schön (2015)

Ein heißer Sommertag im August 2022. Einige Menschen in dunkler, so ganz und gar dem Wetter unangepasster Kleidung steigen aus der U-Bahn Implerstraße in München-Sendling. Allein oder zu zweit folgen sie der Straße, biegen ab, auf dem Vorplatz der Sendlinger Himmelfahrtskirche gesellen sie sich zu anderen, die dort bereits warten. Einer davon ich. Wir begrüßen einander: Ehemalige Kollegen, Bekannte, Fremde. Es gilt Abschied zu nehmen von einem Kollegen mit dem ich zwanzig Jahre zusammengearbeitet habe. Zeitweilig haben wir Tür an Tür gesessen, viele Mittagspausen miteinander verbracht, auch Geschäftsreisen. 2019 ging er in Rente, 2022, nur drei Jahre danach, erreichte uns die Todesnachricht. Während der sehr emotionalen und sehr schön gestalteten Trauerfeier greift die Tochter ihre Gitarre und stimmt ein Lied von Sarah Connor an.

Mit ruhiger Stimme singt die junge Frau ein Lied, gefasst, zumindest in diesem Augenblick, für viele Trauergäste ist das der wohl ergreifendste, emotionalste Moment des Gottesdienstes.
Während die Tochter Zeile um Zeile von ihrem Vater Abschied nimmt und ihn auf ganz wunderbare Weise würdigt, schnürt es vielen von uns (noch einmal) das Herz zusammen. Weiterlesen

Memento Mori – Die vierte Runde


Zur guten Tradition des Totenhemdblogs gehört es, dass das Team der Autorinnen miteinander redet: Übers Sterben, über den Tod, Bestattungsformen und -riten. Was uns eben gerade einfällt und bewegt.
Das Team hat sich in diesem Jahr erweitert, Sigrid und Juliane sind neu dazu gekommen. Es wird Zeit, diese Tradition wieder aufleben zu lassen, nicht an den alten Gesprächsfaden anzuknüpfen, sondern einen neuen zu spinnen.

Lutz: Ich wage mal einen Einstieg. Was mich im Moment sehr beschäftigt und was ich  in einem eigenen Beitrag hier im Blog zum Thema gemacht habe, ist ein aufgelassener Friedhof. Entdeckt habe ich ihn im Urlaub, ganz profan, indem ich auf Google Maps die als Sehenswürdigkeiten und Foto Hot Spots markierten Orte in erreichbarer Nähe unseres Ferienziels durchgestöbert habe. Old Cemetary stand dort. Das hat mich neugierig gemacht: Ein Friedhof, der keiner mehr ist, auf dem aber noch immer ein paar Grabsteine herumliegen, auch Reste steinerner, geöffneter Gruften, alles dem Verfall preis gegeben. Auch die Orte der Toten können also sterben, vor allem, wenn die Lebenden von dort vertrieben werden. Und 50 Jahre später kommen wir Touristen und fotografieren diesen Ein Lost Place der Lost Souls wie ein Schiffswrack, eine leere Fabrik oder eine Ruine eines Hauses. Eine sehr eigenartige Erfahrung.


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Ein kleiner Friedhof, wie es hunderte gibt…

Es ist ein kleiner Friedhof, wie es hunderte gibt…

Hier aber fühlt man sich irgendwie sich am Ende der Welt.
Nicht dort, wo die Welt aufhört, sondern dort, wo sie mit einem Bretterzaun zugenagelt ist. Nur nagelt heute niemand mehr Bretterzäune in die Gegend. Militärische Befestigungsanlagen, Mauern und Stacheldrahtzäune haben längst die Funktion übernommen, wenn es darum geht, Grenzen nicht nur aufzuzeigen sondern unüberwindbar zu machen. Das ist die moderne Form vom Ende der Welt.
Direkt neben dem Pachiammos Beach bei Paralia auf Zypern steht ein solcher Zaun.

Er trennt die Mittelmeerinsel in einen türkischen Nord- und einen griechischen Südteil, wobei Zypern sich keineswegs als Teil Griechenlands versteht sondern ein eigenständiger Staat ist. Nur der Nordteil der Insel ist annektiert.
Zu Füßen der befestigten Station an der Grenze befindet sich der alte Κοιμητήριο Παχυάμμου, der Gemeindefriedhof der Kirche Άγιος Ραφαήλ von Paralia, also der Kirche St. Raphael.Einmal mehr stelle ich bei diesem Besuch, der eher zufällig erfolgt, weil google maps einen View Point verspricht, dass in der Orthodoxie die Friedhöfe nicht wie im Katholischen rings um die Gemeindekirche angelegt sind sondern sich außerhalb der Ortschaften befinden, zumindest, so lange die sich nicht immer weiter ausdehnen und an die Friedhöfe heranwachsen. Weiterlesen

100 Songs: Sucide? – Zwei besungene Selbstmorde (1974/1976)

Da wacht morgens einer auf, spürt eine Eiseskälte in sich und eine schmerzhafte Einsamkeit eines verlassenen Menschen. Und er entscheidet sich angesichts dieser endlosen Leere und Stille in sich, seinem Leben ein Ende zu setzen.
So besingt es John Lees – Leadsinger und Kopf der britischen Rockband Barclay James Harvest in dem Song Suicide, veröffentlicht auf der LP Octoberon 1976. Barclay James Harvest dürfte den Älteren noch vertraut sein – lieferten die Briten doch die perfekte Musik, um in den Discos (so hieß das damals) das Licht runterzufahren, damit in der schummrigen Beleuchtung heftig geklammert werden konnte. Wer achtete da schon auf die Texte zum Beispiel von Poor Man’s Moody Blues, in dem eigentlich der gleiche Seelenschmerz besungen wird wie in Suicide?

Suicide? beschreibt die letzten Momente im Leben eines Menschen, der seinem Leben ein Ende setzen will, mit dem Fahrstuhl auf das Dach eines hohen Hauses fährt, dort am Sims steht – und schließlich springt…

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Der Friedhof von St. Michael

Die Filialkirche von St. Michael bei Egglburg muss man nicht kennen – und den Friedhof, der sie umgibt, auch nicht. Das ist kein lohnenswertes Ziel für einen Ausflug, kein Grab eines Prominenten, das man vielleicht mal gesehen haben sollte, keine Friedhofsanlage, die beeindruckend wäre, keine Kirche, die zu den kunsthistorischen Höhepunkten gehört.
Und doch…

Bei einem Ausflug an den Egglburger See, einem Herbstspaziergang mit Hund, von dem ich in meinem eigenen Blog bereits geschrieben und den Beitrag reich bebildert habe, komme ich eben auch bei St. Michael vorbei. Das kleine Kirchlein liegt äußerst malerisch auf einem Hügel über dem See, in der Ferne, kaum 50 Kilometer Luftlinie entfernt, sind die bayerischen Alpen und der Wendelstein zu sehen.

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