Den Krebs hatte sie überwunden – dachte sie. Jahrelang hatte die Krankheit sie immer wieder in die Knie gezwungen, aber sie hatte gekämpft. Eins ums andere Mal.
Alle wussten davon, unterstützten sie, wo es ging und dann war der Tag gekommen, als die Ärzte ihr sagten, nun sei sie krebsfrei.
So war es dann auch. Zumindest einige Jahre. Dann aber kam das Untier zurück. Mit aller Macht und aller Boshaftigkeit.
Dieses Mal wusste sie wohl, dass sie den Kampf nicht würde gewinnen können. Und sie erzählte niemandem davon. Nur ihrem allerengsten Kreis, der Familie, dem Mann, den beiden Söhnen.
Und sie verpflichtete sie, nie wieder davon zu sprechen. Es begann das ganz große Verdrängen.
Nur lässt sich Krebs nicht verdrängen.
Es ging ihr schlechter und schlechter, aber sie sprach nicht darüber. Jedes Gespräch mit anderen, wie es ihr denn gehe, beendete sie unmittelbar.
Erst als sie ins Krankenhaus kam, erfuhren Freunde und weitere Verwandte, wie es ihr wirklich ging. „Nicht gut!“ hieß es, aber schon die Tatsache, dass sie gleich auf die Palliativstation verlegt wurde, ließ Arges vermuten. Denn, dass es ihr nicht nur nicht gut sondern wirklich schlecht ging, das hatte niemand gewusst, niemand geahnt. Vielleicht nicht einmal ihre Söhne, nicht einmal ihr Mann. Sie hatte sich das Recht herausgenommen, es einfach nicht wahrhaben zu wollen, einfach nicht mehr an sich heranzulassen.
Auf der Palliativstation blieb sie drei Tage, dann wechselte sie ins Hospiz. Jetzt war jedem klar, wie es um sie stand.
Für weitere vier Tage blieb sie im Hospiz.
Sie starb mit 62 Jahren.
Ich sitze am Esstisch, starre auf die vor mir liegende leere Trauerkarte aus dem Ständer des kleinen Dorfladens. Gut, wenn man immer ein paar im Haus hat, denke ich. Dann hat man im Falle eines Falles eine zur Hand und mus