Das erste Trauerjahr ist vorbei

14.9.2014 frühmorgens

14.9.2014 frühmorgens

Wenn mein Vater wüsste was alles passiert ist seit seinem Todestag.

Vorgestern am Montag, dem 14. September jährte sich sein Sterben. Das Foto hatte ich vor einem Jahr im Toggenburger Land aufgenommen. Eine Stunde später starb er. Dieses Foto wird mich immer an den 14. September 2014 erinnern.

Es heisst, das erste Jahr, das erste Trauerjahr sei das schwierigste. Danach wird es einfacher. Der erste Geburtstag, an dem man an ihn denkt, das erste Weihnachten ohne ihn … für die Witwe der erste Hochzeitstag ohne Kuss und Blumen.

Wenn man in das zweite Jahr geht, wird es besser gehen. Dann hat man „all das erste Mal“ geschafft. Die Angst vor der Trauer, vor den Erinnerungen an zurück liegende Jahre wurden mit dem „ersten Mal“ geschafft und verarbeitet.

Bei Ausbildungen zur Sterbebegleitung, Sterbeamme oder ehrenamtlichen Palliativ-Helferin wird meistens vorausgesetzt, dass man aktuell nicht trauern sollte. Das erste, wenn nicht das zweite Trauerjahr sollen vorbei sein. Das ist gut so! Denn wer trauert, kann andere nicht unterstützen und begleiten. Der Tod und das Sterben sind ganz präsent im ersten Trauerjahr. Hab ich ja selbst erlebt als mein Vater gestorben ist. Die Trauer ist unfassbar und kommt wellenartig.

Jetzt nach einem Jahr kann ich sagen: Ich bin neu in meiner Kraft. Und was alles passiert ist seitdem:

Ich schreibe mit Annegret in diesem Totenhemd-Blog – mehr denn je fließt meine Energie hier hin zum Schreiben und Vernetzen.

Ich bin seit Mai in Ausbildung zur Sterbe- und Trauerbegleitung. Ich verändere mich. Spreche über andere Themen, bin ruhiger geworden. In meiner Ausbildung habe ich nette Menschen kennengelernt, neue Frauenbekanntschaften, die mich inspirieren und wertvoll sind.

Meine abendlichen Gespräche mit meinem Vater sind seltener … gerade gestern hab ich ihm wieder von mir erzählt. Was alles passiert ist nach seinem Tod.

Ich soll schön grüßen :-).

Buchtipp: Ich muss sterben. Von Peter Gross

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Dr. Peter Gross, Autor und Philosoph, Witwer, habe ich letzten November kennengelernt im Kreis von Freunden. Unser Wiedersehen war letzte Woche. Wieder im Kreis von Freunden. Wieder bei einem köstlichen Essen.

Und dann kam es zum Thema: Sterben, Tod, das schöne Projekt von Tobias Wenzel, die Führung im FriedhofForum …

Peter hat mir sein Buch geschenkt. Ein sehr intimes Buch über seine Trauer. Wir lernen seine Gefühle kennen, seine Ohnmacht und sein Ringen um Verstehen. Er vermisst seine Liebste. Und das tut im Herzen weh.

Hier entlang zu mehr Informationen zu seinem persönlichen Buch. Aber Achtung: Peter philosophiert: Er wagt Brüche, stellt Fragen, hat oft keine Antworten. Es ist kein Buch für Trauernde. Es ist ein Buch, das sich auf den Weg macht und verschiedene Blickwinkel einnimmt, manchmal aus der Bibel, manchmal aus der Philosophie. Die persönliche Note zieht sich aber durch das ganze Buch. Lassen Sie sich überraschen.

Schnuppertag im Krematorium Zürich

Nun steht er vor der Tür mein Schnuppertag im Krematorium Nordheim in Zürich.

Während der Führung, über die ich ausführlich geschrieben hatte, bekam ich ganz große Rhababerblätter-Ohren, als ich hörte, schnuppern ist möglich. Vor Ort. Live.

Ich werde morgen um 5 Uhr aufstehen, damit ich um 5.45 h den Zug nehme Richtung Zürich. Um 6.43 Uhr wird der Bus vorm Krematorium halten. Dann gehe ich zum vereinbarten Treffpunkt und los geht’s. Ich interessiere mich für den Bereich, wo Trauernde empfangen werden, damit sie sich von ihren Toten verabschieden können. Das heißt, dafür muss der Verstorbene aus dem Kühlraum geholt und vorbereitet werden, in einem der Abschiedsräume „hergerichtet“ werden. Die Trauernden werden begleitet – ganz nach ihrem Wunsch bleibt man in der Nähe oder vor der Tür oder bleibt mit im Raum.

Ich werde mich entsprechend kleiden. Etwas Dunkles mit einem Blazer tragen, schwarze Bellerinas anziehen.

Mein Schnuppertag beim Bestattungsservice in der Stadt Zürich fand vor wenigen Wochen statt: Ich durfte mit einer der Mitarbeiterinnen ein Urnenbegräbnis organisieren und später auf einen der vielen Zürcher Friedhöfe mitfahren, um eine Beerdigung mit vorzubereiten: die Organistin begrüßen, die Kapelle beleuchten, die Kerzen anzünden, die Spendenboxen an der Ausgangstür anbringen … später auf dem Friedhof prüfen, ob das richtige Grab vorbereitet wurde. Während der Beerdigung und der Trauerfeier konnte ich dabei sein. Man könnte fast sagen: Bestattungsservice ist Trauer-Eventmanagement.

Ich freue mich auf den morgigen Tag, bin sehr gespannt  und werde berichten.

Nebensaison – zärtlicher Tod

Dass du heute hier vorbeischaust! Der Tod hat doch erst im November Saison. Da haben wir ihm in langer Folge von heidnischen und später christlichen Fest- und Gedenktagen einen Ort geschaffen. Hier darf er sich herausputzen, brillieren, sich mit Blumen und Kränzen schmücken, lässt sich besingen und beweinen in großen Oratorien und stillen Kammern.

Dass du heute hier vorbeischaust. An diesem himmelblauen Tag im Mai, wo alles nur so kracht vor Leben. Ich glaube, ich habe es bei Fritz Roth gehört oder gelesen, dass es gut ist, dem Tod immer wieder Gedenktage zu schaffen. Denn sonst würden wir ihn wohlmöglich ganz vergessen. Was ja eigentlich auch ganz angenehm wäre. Aber mit den Gedenktagen holen wir ihn wieder hinein ins Leben, schenken ihm ein wenig Raum, gerade lange genug um uns zu erinnern, dass wir lieber diesen Tag in seiner Fülle schätzen und lieben. Mit seinem Blau, den quellenden Wolken, dem Pappelflaum auf dem Wasser, durch das du gerade deine Bahnen ziehst.

Heute schaut der Tod bei mir vorbei und bei St.. Bei Petra auch. Und bei vielen anderen. . B. hätte heute Geburtstag. Sein Haus wäre voll. Alle hätten was zu essen mitgebracht. Man würde hitzig mit ihm diskutieren. Es wäre ein Kommen und Gehen. Mitten im Mai schaut der Tod vorbei. Er ist heute freundlich und zärtlich. Nebensaison hat auch sein Gutes. Das Herz wird abgefedert vom Blau und dem weißen Flaum. Der schwebt erdwärts.

Frau Ludewigs Himmelfahrt

Thomas Hirsch-Hüffel ist Pastor im gottesdienst institut nordkirche. Er schrieb diesen wunderbaren Text, den ich in meinem Blog für die Zweite Lebenshälfte veröffentlichen durfte. Nun tue ich es auch hier mit großem Dank, denn hier gehört „Frau Ludewigs Himmelfahrt“ zu Himmelfahrt unbedingt hin:

“Frau Ludewig ließ ihren Mann die Überweisungen für die Bank schreiben. Sie ließ ihn steuern bei den Fahrten von Hamburg-Barmbek nach Grömitz zu ihrem kleinen Wohnwagen. Sie schaute mit ihm Lindenstrasse, auch wenn sie lieber im Garten im Hof gesessen hätte. Dafür schnitt er am Wochenende das Gemüse und brachte eine Flasche Sekt mit, damit sie beide ein bisschen feiern. Manchmal träumte sie davon, ein Flugzeug selber zu steuern. Immer wieder startete sie erfolgreich im Traum, aber nach ein paar Kilometern landete sie im Vorgarten ihrer Eltern. Da großes Theater: Die Hecke kaputt! Wie kannst Du nur … .

Immer wieder diese Szene nachts. Einmal hat sie Paul davon morgens erzählt. Er hat gegrunzt und gesagt: Na du willst ja hoch hinaus. Mach doch erstmal Führerschein, ich zahls auch. Hat sie nicht. Warum auch, er fuhr gern und sie fuhr mit. Vor 2 Jahren hat sie ihren Mann nach 34 Jahren Ehe hergeben müssen. Erst ging gar nichts mehr. Die beiden Söhne kamen oft, weil sie kaum essen wollte. Der Pastor sagte: Tragen sie doch eine Weile schwarz. So machte sie es. Und es tat ihr gut, Ihre Trauer zeigen zu können. Die Söhne schrieben die fälligen Überweisungen und bestellten ihr ein Taxi. Eines Tages wachte sie auf, hörte die Vögel schimpfen, sah die leere und saubere Hälfte des Ehebettes an und schüttelte den Kopf. Sie ging an den Schrank, Weiterlesen

„Ihr letzter Wunsch ist mir Befehl“

Zur Beerdigung seines älteren Bruders konnte er nicht kommen. Er war von seiner Bypass OP zu geschwächt. Seine Schwägerin nahm ihm das übel und verfügte, dass er im Falle ihrer Beerdigung nicht beim Grab erscheinen dürfe.

Nun war es so weit. Sie tot. Er war –  ohne etwas zu ahnen –  auf dem Weg zum Friedhof. Sein Neffe fing ihn ab und schickte ihn kurz vor der Beerdigung weg. Denn die Mutter hatte es so verfügt.

Ja, geht´s denn noch?
Ich habe inzwischen meine Verfügungen im Falle meiner Beerdigung radikal gekürzt und bis auf Weniges nur noch vage Richtungen angegeben, für den Fall, dass meine Angehörigen unsicher wären.
Würde ich mich sklavisch an die Anweisungen meiner verstorbenen Mutter halten? Sicher nicht, wenn es gegen meine Ethik oder meine Bedürfnisse als Trauernde ginge. Die Selbstbestimmung hat jenseits des Todes echt ein paar Grenzen.

Ihr könnt euch vorstellen, wie unglücklich der Mann war…

Tanz im Krematorium


Tanz im Krematorium

Bei RBB Fernsehen erschien dieser sehr schöne und sehenswerte Dokumentarfilm : Tanz im Krematorium. Es ist eine Fernsehdokumentation über das PortaDora Netzwerk. PortaDora bedeutet die „offene Tür“.

In diesem Film erleben wir wie Abschied „anders“ gestaltet werden kann. Mich hat der Film sehr berührt und entspricht meinem Bedürfnis, Trauerfeiern anders zu gestalten: Wir sehen wie eine florale Urne entsteht oder ein ganz besonderer Grabstein entsteht. Die Idee im Krematorium einen langsamen Walzer tanzen zu lassen beflügelt mich sehr … diese Leichtigkeit … als wenn die Seele nun gut auf die Reise gehen kann.

Die Funeral Ladies in Berlin werden vorgestellt. Sehr spannende Ladies!

Im Leben kann man nichts festhalten, heißt es in diesem Film.

Musik: Ibeyi – Mama Says

Die Zwillinge, Lisa-Kaindé und Naomi Diaz, Töchter eines „Buena Vista Social Club“-Musikers, die gemeinsam musikalische „Ibeyi“  (Yoruba für „Zwillinge“) sind, haben die Kunst der Verdichtung bereits mit Anfang 20 geschafft. Hier ist ein Lied über ihre trauernde Mutter – und mit ihr! – und über die Gefühle der Töchter zur Trauer der Mutter.

Ibeyi – Mama says Musikvideo

Leider unterstützt unser Blog-System nicht den Muzu Kanal. Also bitte auf den Titel klicken!

Mehr über die beiden hier:

Buchtipp: Keine Angst vor fremden Tränen

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Eine Bekannte, die sich auch für die Weiterbildung zur Sterbeamme interessierte, hat mir ihr Buch gezeigt, das sie gerade liest.

Keine Angst vor fremden Tränen von Chris Paul.

„Ich weiß gar nicht was ich sagen soll“ – so geht es vielen, wenn sie trauernden Menschen begegnen. In der Buchinformation lese ich: „…. dieses Buch ist eines der wertvollsten Trauerratgeberbücher des Jahres 2013″.

Steht auf meiner Buchlese-Liste :-).

Hier können Sie sich informieren.