21.11. Julia Schulz: Warum immer so ernst auf Beerdigungen ?

Als meine Oma beerdigt wurde ist Folgendes passiert:

Nun muss man vorweg sagen, dass meine Oma eine heitere, laute, stets gut gelaunte und zu ihren Lebzeiten sehr üppige, also dicke/vollschlanke/wohl genährte Person war. Sie hatte sogar bei ihrer ersten Flucht Schmalz für die Kinder eingepackt, damit diese nicht verhungern sollten – jedoch bekamen sie dadurch übles Durchfall, was die Flucht erheblich erschwerte.

Jedenfalls jene Oma wurde eingeäschert.

Nun waren wir alle da und der Pfarrer hielt seine Rede – alle andächtig um die Urne herum versammelt. Er sprach viel über meine Oma, aber eben nicht über die Oma, so wie wir sie kannten (ein leider oft vorhandenes Phänomen bei Beerdigungen).

Als es gerade sehr still war, fragte der kleine Urenkel, also der Sohn meiner Cousine, ganz laut: „Sag mal, da in der kleinen Büchse ist doch nicht die Oma drin oder?“

Wir haben dann sehr lange und ausgiebig gelacht und waren nicht mehr in der Lage, einer ernsthaften Rede zu folgen. Wir waren fortan heiter, laut, lustig und gut gelaunt, fast so als habe meine Oma sich in uns ausgebreitet, statt in der kleinen Urne zu bleiben!

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Liebe Julia, danke dass Du uns von Deiner heiteren Oma und ihrer heiteren Beerdigung erzählt hast.

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2.11. Martina Fuchs: Sind Jenseits und Diesseits verbunden?

Spiegelbild mit Eisblumen 2

von Martina Fuchs

Die Kraft der Poesie sollte man nicht unterschätzen. Manchmal genügen schon wenige Worte und man ist ihrer Macht restlos ausgeliefert. Mir ging es kürzlich so, als ich die ersten zwei Sätze eines Märchens aus den Dolomiten las:

Der Hirte vom Monte Cristallo
„Auf dem rosaroten Monte Cristallo, wo jetzt nur furchtbare Steilwände und vereiste Kare zu sehen sind, stand einst ein stolzes Königsschloss. Seine Türme und Zinnen erhoben sich herrlich über dem Tale und grüßten sonnenfroh hinüber bis zu den Schneegipfeln der Marmolèda.“

In diesem Märchen geht es um eine Prinzessin, die ihren zahlreichen Freiern eine vermeintlich unerfüllbare Aufgabe stellt. „Sie verlangte, dass man ihr eine Geschichte erzähle, die sie selbst beträfe, die ihr aber unbekannt sei und die sie dennoch glauben müsse“.

Wie der Name des Märchens bereits verrät, gibt es einen Bewerber, der diese Bedingungen zur großen Verwunderung aller, erfüllen kann und so gibt es schließlich ein gutes Ende: „Die Prinzessin aber lächelte und streckte dem Hirten die Hand entgegen.“

Der Nachhall dieses Märchens in meinem Kopf hielt sich viele Tage lang. Ich dachte über die Geschichte nach, welche der Hirte Bartóldo der Prinzessin erzählt hatte und damit ihr Herz gewann, ein „stolzes Schloss und ein weites Reich dazu“. Seine Geschichte erzählt vom Jenseits, „den Gefilden der Seligen“. Was mich besonders fasziniert, ist die Erwähnung der Gefahr, welche in der überwältigenden Erfahrung der Gesamtheit diesseitigen und jenseitigen Lebens liegen kann: „er ist ein Dichter geworden, der in den Wäldern umherirrt und Lieder macht“ und der gleichzeitigen Möglichkeit, „Alles“ zu gewinnen, was in einem Menschenleben als erstrebenswert gilt, nämlich Liebe, ein stolzes Schloss und ein weites Reich. Bereitet Bartóldo’s „Verrücktheit“ erst den Weg dafür, dass er „Alles“ gewinnen kann?

Das Märchen ist eine wunderschöne Liebesgeschichte. Sie beschreibt, wie sich Zwei finden, die zusammengehören- und die sich wahrscheinlich schon früher, wer weiß wo begegnet sind und somit einander kennen.

Collage Gesichter Who is Who in Schwarz weiß

von Martina Fuchs

Nun gibt es, neben den Liebesgeschichten im Leben auch noch andere, mitunter alltägliche Begegnungen mit Menschen, die einem das Gefühl vermitteln: Wir kennen uns bereits, wir sind uns vertraut. Man muss mit einem Mal nur wenig erklären und versteht sich ohne viele Worte. Eine Freundin, die ich erst vor kurzem kenngelernt habe, sann über diesen Zustand immer wieder mal nach, indem sie fragte, ich weiß gar nicht, wie ich dazu komme, mit deiner Anwesenheit beschenkt zu werden. Das hat mich sehr gerührt, denn ich hatte ihre Anwesenheit in meinem Leben als ein viel größeres Geschenk betrachtet. Wir sind nicht mehr dazu gekommen, das zu tun, was wir uns zu tun vorgenommen hatten- gemeinsam zu singen- denn kurz nachdem wir uns kennengelernt haben, ist sie sehr krank geworden und sieben Monate später gestorben.

Ich war sehr, sehr traurig, ja.

Gibt es Trauer eigentlich in der Mehrzahl? Diese Frage wuchs in meinem Inneren in den ersten Tagen nach dem Tod meiner lieben Freundin. Jeder Tod von Menschen, die ich einst sehr lieb hatte, kam mir wieder in den Sinn. Das waren schon viele. Die meisten Menschen in meinem Alter kennen diese Erfahrungen. Der Tod eines geliebten Menschen ist manchmal so schlimm, dass man meint, nicht darüber hinwegzukommen.

Wenn man es schafft, darüber hinwegzukommen, kann die Trauer trotzdem noch so tief sein, dass diese Tiefe geradezu unendlich erscheint.

Diesmal ist es jene Art von Trauer, die Weiterlesen