Silke: Wie mich der Tod motiviert zu leben

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von Silke … das ist sie beim Paragliding

Vor fünf Jahren, zwei Monate, drei Wochen und zwei Tagen starb meine große Schwester in unseren Armen. Einer der ersten klaren Gedanken, die ich danach hatte, war: „Und jetzt mache ich was Ordentliches aus meinem Leben!“ Was das sein sollte, wusste ich noch nicht und es sollte auch noch eine ganze Weile dauern, bis ich dazu die Kraft haben würde. Aber ich wusste, dass ich ab sofort selbst dafür verantwortlich sein würde, mich zu erden, mich daran zu erinnern, was wichtig ist und mich auf Kurs zu halten. Meine große Schwester, die dies bisher zuverlässig für mich erledigt hatte, war nicht mehr da. Oder doch noch da, aber anders.

Hier lest Ihr Silkes Beitrag.

Kein Jahr wurd vergessen

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Zum Thema „Jahresringe zusammenbringen“ hat meine Schweizer Schreibfreundin Maria einen sehr schönen berührenden Text geschrieben, den ich hier veröffentlichen darf. Ich bin davon überzeugt, dass dir die Geschichte gefallen wird. Mir gefällt sie sehr. Es wird ein Ritual beschrieben, das ich sehr schön finde.

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Es ist der letzte Freitag im Monat: Erinnerungszeit. Seit dem ersten Todestag meiner Frau widme ich diesen Tag ihren Schätzen. Gehe durch ihre Sammelboxen, Ablegekästen, Kisten oder Schubladen.

Am liebsten sind mir die Scrapbooks. Ich nehme das oberste heraus, blättere und erinnere mich, blättere und lächle, blättere und sinniere. Alles hat sie gesammelt auf unsern Reisen, alles hat sie eingeklebt. Ich verharre bei einem Foto einer riesigen Baumstammscheibe. Daneben hat Anita geschrieben: Der Baum: Ringe erzählen seine Geschichte, umhüllen und schützen den zarten Anfang, kein Jahr wird vergessen. Lang hocke ich da, umringt von Karten und Quittungen, Tickets und Fotos, unserer Geschichte und ihren Erinnerungen. „Kein Jahr wird vergessen“.

Könnte ich unsere Reisen wiederholen? Die 43 Reisen, die wir miteinander gemacht haben, jedes Jahr eine. Könnte ich unsern eigenen Baum gestalten, anfangen mit unserer Hochzeitsreise als Zentrum, als Kern?

Ich drehe am Ehering, den ich immer noch trage.  Weiterlesen

Christines Gastartikel: Wie wir unserer Trauer Ausdruck verleihen und die Erinnerung wach halten können

„Die Dankbarkeit verwandelt die Qual der Erinnerung in eine stille Freude.“

Dietrich Bonhoeffer bringt wunderbar auf den Punkt, welche vielfältigen Facetten in unserer Trauer stecken. Sie kann qualvoll sein, denn es schmerzt, sich in dem Wissen zu erinnern, dass nichts mehr so sein wird wie vorher. Und sie kann, wenn wir dankbar zurückschauen, eine stille Freude über all‘ das Schöne auslösen, was wir gemeinsam mit dem verstorbenen Menschen erlebt haben und an das wir uns erinnern dürfen.

Vielleicht haben Sie sich auch schon einmal nach einem Trauerfall gefragt, in welcher Form Sie Ihrer Trauer und Ihrer Erinnerung Ausdruck verleihen möchten. Seit ich mich näher mit dem Thema befasse, nehme ich glücklicherweise einen immer offeneren Umgang mit Trauer wahr. Menschen werden kreativer, um ihre Erinnerung in eine Form zu gießen und ihr einen Platz zu geben. Um den Schmerz umzulenken in einen gestaltenden Prozess und ein Symbol der Erinnerung zu schaffen. Währenddessen können die Gedanken auf Reisen gehen, zurück zum gemeinsam Erlebten und so kann Schritt für Schritt Dankbarkeit wachsen.

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Fotocollage von Christine

Dieser Prozess wirkt heilsam, das durfte ich persönlich erfahren. Aus Hemden meines im letzten Jahr verstorbenen Vaters habe ich anlässlich seines 1. Todestages Kissen für alle Kinder und Enkelkinder genäht. Es war zunächst ein seltsames Gefühl, seine Hemden auseinanderzuschneiden, in denen ich ihn am Klavier sitzen sah oder „ausgehfein“ im schicken Anzug. Ich spürte eine Welle der Traurigkeit durch mich hindurchziehen. Ja, autsch! Aber dann: daraus etwas Neues entstehen zu lassen, das weiter bestehen wird und damit die Erinnerung an einen ganz besonderen Menschen wach hält, das war ein ganz besonders schönes Gefühl. Und noch besser: die leuchtenden Augen der Beschenkten!

Im Netz habe ich noch Weiterlesen

Schreiben Sie die (Kriegs)Lebensgeschichte Ihrer Eltern auf

In den letzten Monaten vor seinem Tod haben wir meinen Vater immer wieder nach seiner Lebensgeschichte gefragt. Seine Enkel waren auch da und haben ihm viele Fragen gestellt. Wir haben einiges gehört über die Wirren im zweiten Weltkrieg. Das hat ihn sehr geprägt. Wir haben erfahren, dass er nicht nur einmal Glück hatte und am Leben blieb. Er ist einer der Kriegsveteranen, der mit 18 Jahren „an der Flak“ stand. Seine Kameraden sind bei einem Einschlag alle gefallen, nur er ist am Leben geblieben. Als er einmal nicht ins Kino mitging in Magdeburg, hat er auch überlebt … alle, die im Kino saßen, waren tot.

Die Generation, die den zweiten Weltkrieg miterlebt hat, stirbt jetzt. Das sind die Menschen, die so um 1920 bis 1930 geboren wurden. Und Sie haben uns was zu erzählen!

Mein Vater hat als Kind auf der Ostseehalbinsel Darß seine Ferien verbracht. Sein Onkel ist mit ihm durch die Wälder gestreift. Sein Berufswunsch war: Förster werden. Es hätte fast geklappt, er hatte sogar schon die Bestätigung und Zusage. Aber der Krieg und die Aufteilung in West und Ost, in Amerikaner gegen die Russen haben seinen Berufswunsch zerplatzen lassen. Er wurde Konditor und Hotelier.

Meine Mutter hab ich auch nach ihrer Lebensgeschichte gefragt. Ich hatte notiert, was ich wusste. Sie sollte meine vollgeschriebenen Seiten ergänzen und korrigieren. Sie hat mir meinen Entwurf mit sicherlich 20 voll geschriebenen Blättern zurückgegeben.

Biografiearbeit ist das! Und wenn man einmal anfängt zu fragen, kommen längst vergessene Erinnerungen hoch. Bei meinem nächsten Besuch will ich noch mehr von ihr wissen. Weiterlesen