Gestern war der 4. Todestag meines Vaters. Nach seinem Tod war alles anders für mich: ich habe eine Weiterbildung zur Sterbe- und Trauerbegleiterin absolviert. Ich habe mit Annegret diesen Blog ins Leben gerufen. Vier Jahre nach seinem Tod geht es mir anders = besser. Schon ziemlich entfernt von ihm und meiner Trauer. Dennoch tut es mir gut mich zu erinnern und mich einzulassen auf diese Zeilen, die ich gerne mit Euch teilen möchte, auch im Hinblick auf die kommende Blogaktion. Einen Brief an einen Toten schreiben?
Mein Pa. Gestern während der Chorprobe dachte ich oft an Dich, mein Lieber. Wir haben schöne Lieder gesungen und mir ging mein Herz auf, als wir ein Kirchenlied sangen, das im Gottesdienst bei uns in Frankfurt zur Liturgie gehörte. Ich hatte es ewig nicht gesungen und bekam Heimweh. Es hat nichts mit Dir zu tun, denn Kirche war für Dich ein rotes Tuch. Ich hab gestern auch ein bisschen für Dich gesungen.
Im letzten Jahr hab ich dich in meinem Blogartikel gefragt, ob du da oben im Himmel den anderen deine Arien vorsingst so wie uns. Und vielleicht organisierst Du Tanzveranstaltungen so wie früher in unserem Hotel-Restaurant? Es war immer Leben in der Bude bei uns.
Zur Zeit läuft eine Fernsehserie über die Zeit zwischen dem 1. Weltkrieg und 1939. In dieser Zeit bist Du aufgewachsen. 1939 warst du schon 12 und mit 16 hast Du „an der Flak“ gestanden. Das Thema „Kriegsenkel“ hat mich letztes Jahr eine Weile sehr beschäftigt. Von wegen transgenerationale Weitergabe von Traumata. Was habt Ihr für eine schreckliche Zeit gehabt. In welch einem Wirrwarr musstet Ihr überleben.
Ich habe deine Geschichte aufgeschrieben für deine Enkel. Ich werde es ihnen zu meinem 60. Geburtstag schenken. Stell Dir vor: ich werde 60. Was eine Zahl! Und ich lebe im Frieden in der Schweiz, ein sehr priveligiertes Leben.
Ja, mein Pa, ich stelle mir vor, wie Du das alles liest und hörst und beobachtest. Und ich sehe Dich nicken, mir zuzwinkern. Du bist einverstanden und hast auch deinen Frieden gefunden. Dabei rauchst du deine Reval.