Ein kleiner Friedhof, wie es hunderte gibt…

Es ist ein kleiner Friedhof, wie es hunderte gibt…

Hier aber fühlt man sich irgendwie sich am Ende der Welt.
Nicht dort, wo die Welt aufhört, sondern dort, wo sie mit einem Bretterzaun zugenagelt ist. Nur nagelt heute niemand mehr Bretterzäune in die Gegend. Militärische Befestigungsanlagen, Mauern und Stacheldrahtzäune haben längst die Funktion übernommen, wenn es darum geht, Grenzen nicht nur aufzuzeigen sondern unüberwindbar zu machen. Das ist die moderne Form vom Ende der Welt.
Direkt neben dem Pachiammos Beach bei Paralia auf Zypern steht ein solcher Zaun.

Er trennt die Mittelmeerinsel in einen türkischen Nord- und einen griechischen Südteil, wobei Zypern sich keineswegs als Teil Griechenlands versteht sondern ein eigenständiger Staat ist. Nur der Nordteil der Insel ist annektiert.
Zu Füßen der befestigten Station an der Grenze befindet sich der alte Κοιμητήριο Παχυάμμου, der Gemeindefriedhof der Kirche Άγιος Ραφαήλ von Paralia, also der Kirche St. Raphael.Einmal mehr stelle ich bei diesem Besuch, der eher zufällig erfolgt, weil google maps einen View Point verspricht, dass in der Orthodoxie die Friedhöfe nicht wie im Katholischen rings um die Gemeindekirche angelegt sind sondern sich außerhalb der Ortschaften befinden, zumindest, so lange die sich nicht immer weiter ausdehnen und an die Friedhöfe heranwachsen.

Bei einem Rundgang über den Friedhof entdecke ich viele reizvolle Fotomotive, da wir mutterseelenallein dort sind, nutze ich das hemmungslos aus, wobei ich ziemlich sicher bin, vom Wachturm der Grenzstation aus mit einem Fernglas beobachtet zu werden. So war es bisher immer, vor allem an Grenzen in geteilten Ländern: Sei es damals in Berlin, sei es am Gazastreifen. Das vermittelt mir immer ein wenig das Gefühl von Beklommenheit.Wie immer ist das Fotografieren dieser Anlagen verboten, was die Beklommenheit besonders steigert, wenn man es trotzdem tut.
Daher konzentriere ich mich nach ganz wenigen aus der Hüfte geschossenen Fotos lieber auf die Gräber, die kleine Kapelle und was sich alles sonst noch so auf dem Friedhof an Motiven finden lässt. Und derer gibt es reichlich:

Es ist eine äußerst interessante Ambivalenz. Die Anlage ist gepflegt, viele Gräber sind vollkommen herausgeputzt. Viele Gräber zieren weiße kleine Engelstatuetten.


Es gibt aber auch verfallene Gräber und hier und dort liegt ein wenig Müll auf dem Weg. Im Ganzen finde ich kein System, so dass man nicht bei dem ohnehin kleinen Friedhof sagen kann, ein Teil sei super in Schuss, ein anderer vernachlässigt.  Letztlich ist es aber auch müßig, darüber nachzudenken. Darüber nicht. Es gibt anderes, was meine Aufmerksamkeit fordert.

Während ich zwischen den Gräbern herumspaziere, von Ferne das Geläut der Kirche Agios Raphael höre und ein paar Trodoos-Eidechsen beim Sonnenbaden aufschrecke, fühle ich mich fortwährend vom Stützpunkt aus beobachtet. Viele Touristen (das rote Nummernschild unseres Mietwagens enttarnt und als solche) kommen offenbar nicht hierher ans Ende der Welt, Und wenn doch, dann vermutlich nur, um den phantastischen Blick aufs Mittelmeer zu genießen und nicht, um zwischen den Gräbern herumzulaufen und zu fotografieren.
Was gibt es an diesem abgelegenen Ort schon zu sehen?
Wer war Menelaos Johannou, dass dessen Grabstein so ausgiebig fotografiert wird? 

Ich weiß es nicht, ich tue es trotzdem. Wie auch die beiden amphorenförmigen Tonkrüge, die auf dem Weg zwischen den Gräbern liegen.

Besonders angetan hat es mir eine Christus-Skulptur in einem Grabstein, obwohl ich mich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass der Gute ein wenig auf Speed ist, oder zumindest der Künstler war, als er ihm die Augen soweit aufriß.Die meisten Gräber zieren Fotos der Verstorbenen, besonders angetan hat es mir dieses auf einem Familiengrab aus den Fünfzigern. Es zeigt ein Ehepaar in typischer alter zyprischer Tracht. Ich weiß nicht warum, aber ich mag dieses kleine Schwarz-Weiß-Bild wildfremder, lang verstorbener Menschen.

Von einem ganz anderen Friedhof auf Zypern könnt Ihr hier lesen.

Ein Gedanke zu „Ein kleiner Friedhof, wie es hunderte gibt…

  1. Hallo Lutz, wie gut dass du im November dort warst … alleine wollt ich in meinem Mietwagen dort nicht hinfahren; hätte es gern getan. Aber ich hatte Respekt vor der Strecke und der Grenze.

    Mir gefällt das Foto der beiden auch sehr.

    Schöne Eindrücke! Danke dafür!!

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