Wie man sich bettet…

Es ist mehrere Jahre her. Im Dezember 2013 schrieb ich für einen Blog einen Beitrag unter dem Titel Wie man sich bettet…

Es ging damals um eine sehr merkwürdige Marketingaktion eines polnischen Sargherstellers, der seine Produkte mit Pi-Up-Kalendern bewarb.

Der Zufall wollte, dass ich an diesen alten Beitrag erinnert wurde – und ich wiederhole ihn daher in aktualisierter Form an dieser Stelle:

Wie man sich bettet, so liegt man!
Sicher kennen Sie diesen Spruch.

Wie man gebettet wird, so liegt man!
Damit ist auf die letzte Ruhestätte angespielt, vor allem aber auf die Kiste, in die man gelegt wird: Den Sarg.

Nun ist Sarg nicht gleich Sarg, die Konkurrenz ist groß. Da müssen sich die Hersteller schon einiges einfallen lassen, damit ihr Modell von Bestattern bevorzugt ver- und von Hinterbliebenen ge-gauft wird; nur damit die Kiste umgehend gut gefüllt verbuddelt oder verheizt wird.
Der polnische Sarghersteller Lindner, einer der größten seiner Zunft, nimmt seit Jahren zur Befeuerung seines Geschäfts unverkennbar Anleihe am italienischen Reifenhersteller Pirelli: Er kalendert.
Während sich bei Pirelli fast nackte weibliche Wesen zur Bewerbung der Produkte in lasziver Weise auf den Hauben ps-starker Boliden räkelten, finden sich vollbusige Schönheiten (oder solche, die sich dafür halten) in ähnlichen Posen an oder auf…
Na?
Richtig: Auf Särgen.

kalender

 

 

„Die fünfte Edition des Kalenders Lindner ist eine große Rückkehr zur Natur, die sich in der vollkommenen Harmonie zwischen den Särgen von Lindner und dem lebenden Holz, dem Blau des Meeres, den roten Blumen, den grünen Wiesen und der Schönheit des weiblichen Körpers, ausdrückt,“ pries weiland der Sarg- und Kalenderhersteller Lindner das gute Stück auf seiner Internetseite an. Dort konnte man ihn auch bestellen.
Nach den Männern der freiwilligen Feuerwehr an der Pumpenspritze und auf der Drehleiter, den Burschen der Landjugend im Heuschober samt Mistgabel und/oder Traktor, den Bäckerinnen einer Großbäckerei mit der Teigschüssel und Quirl sowie diversen anderen mehr oder weniger professionellen Calendar Boys & Girls sind es also jetzt auch Monat für Monat fast Nackte auf dem Sarg. Der Unterschied: Feuerwehrmänner sind Feuerwehrmänner, Burschen Burschen und Bäckerinnen Bäckerinnen. Bei Lindner räkeln sich Models am, auf und im Sarg.

Ob das als Tabubruch durchgeht, bleibt fraglich. Denn es ist ja nicht das erste Mal, dass Lindner auf diese Weise Särge bewirbt. Und die ganz große Empörung ist ausgeblieben, zumindest ist nichts davon im Netz zu finden. Weder von kirchlicher Seite (Polen ist noch immer ein zutiefst vom Katholizismus geprägtes Land) noch von #Aufschrei-Kämpferinnen war Lindner social-medial mit Shitstorms und Bashings überzogen worden. Die Meldung über den Kalender tröpfelte lediglich in die Rubriken Kurioses und Sonderliches diverser Nachrichtenportale und -magazine.

Ob „Sex sells“ tatsächlich den Abverkauf befeuert, steht auf einem ganz anderen Blatt. Immerhin bot der Sarggroßhändler PT den Kalender selbst nebst diverser Sargkollektionen zum Verksuf an, ob damit – wie bei Pirelli – allerdings breite Käuferschichten erreicht wurden, ist wohl eher zweifelhaft. Am Endverbraucher (selten trifft das Wort es besser als hier) des Sarges geht diese Werbemaßnahme ganz sicher vorbei.

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Lange her – und heute?

Den Lindner-Kalender gibt es noch immer. Auch 2022. „Hypnotische, transgressive Farben, Blitze, Formen, Texturen, Strukturen. Zerstörung, Verfall, Pracht, Kakophonie. Wo bin ich? Was mache ich hier eigentlich? Man spürt Beklemmung, aber auch Faszination. Du willst weiter, länger, klarer sehen… Bleibt dabei. Fühle dich sicher. Du bist zu Hause. Das ist die neue Realität. Das ist die neue Dimension.“
So pries der Sarghersteller den diesjährigen Kalender an. Man ist mit der Zeit gegangen: Schrill bunt laut, etwas weniger pin-up-mäßig, aber immer noch weit jenseits klassischer Werbung für die Erdmöbel:

Die Internetseite gibt Einblicke in diese ganz und gar ungewöhnliche Werbeaktion, die wohl erfolgreich genug ist, dass sie nach wie vor Jahr für Jahr wiederholt wird. Wir werden sehen, ob es auch 2023 einen Sargkalender geben wird und welchem Konzept er folgt.

Ob das Gsnze dies- oder jenseits des guten Geschmacks liegt, den Formen von Pietät und Würde entspricht oder nicht, muss jeder für sich selbst entscheiden.

Ich finde es nicht unbedingt gelungen. Aber schon sehr skurril.

Was ist Eure Meinung?

3 Gedanken zu „Wie man sich bettet…

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