Ich leb und waiß nit wie lang / ich stirb und waiß nit wann /
ich far und waiß nit wahin / mich wundert das ich frölich bin.
(wurde vor 500 Jahren von Magister Martinus von Biber geschrieben).
Heute in der SonntagsFAZ auf Seite 4. Eine ganze Seite zum Thema: Der gute Tod.
Jaaaa!
Gibt es ihn den guten Tod? Was heißt es in Würde zu sterben?
Nach dieser Lektüre und nach diversen Gesprächen ist es den wenigsten vergönnt in Ruhe einzuschlafen. Wir stellen uns vor und wünschen uns sehr, dass wir selbst bestimmt sterben bei bester Laune und bester Verfassung. Tja. Pustekuchen. Das wurde mir nun auch mehrfach bestätigt. In Würde sterben, ist nicht (so häufig). Fakt ist, dass wir wahrscheinlich krank sind oder dement oder oder oder. Wir sind vielleicht alt und gebrechlich und sind auf fremde Hilfe angewiesen. Was, wenn wir zu dem, was ist sagen: wir sterben in Würde, weil wir annehmen was ist.
Nicht umsonst ist die Sterbehilfe, der freiwillige Tod, der begleitete Suizid, wie z.B. ihn Exit in der Schweiz ermöglicht in aller Munde. Ich verstehe das sogar, dass man dem Leben ein Ende bereiten möchte, bevor man leidet. Aber müssen wir nicht versuchen umzudenken und ggfs. Unterstützung anbieten, wie es im Artikel vorgeschlagen wird. Können wir Menschen, die wissen, dass sie sterben werden, einen „würdigen“ Tod und Abschied schenken auch im Leid? Dass sie weniger Angst haben, dass die Panik aufhört, weil man sie vielleicht waschen wird und sich um ihren Körper kümmern wird, weil sie sich nicht mehr artikulieren können, weil vielleicht nur noch der Wimpernschlag ein Ja oder ein Nein mitteilt. Die Schmerzen sind gedämmt, das wissen wir durch die fortgeschrittene Medizin. Sind wir bereit, Sterbenden unsere Zeit zu schenken? Egal wie lange sich der Sterbeprozess hinzieht?
Die FAS beschreibt weiter, dass die gängigen Patientenverfügungen unzureichend sind. Man kann gar nicht alle Möglichkeiten in Betracht ziehen. Was tun nach einem ersten Schlaganfall? Nach einem Unfall – der eine künstliche Beatmung erzwingt, weil man nach 2 oder 3 Monaten wieder genesen ist?
Der Autor stellt zwar infrage ob das Wort günstig gewählt ist, aber mir gefällt die Formulierung: Wir werden eingeladen, eine spirituelle Patientenverfügung auszufüllen, die u.a. folgende Fragen enthält:
Was ist mir im Leben wichtig, und was wird mir am Lebensende noch wichtig sein?
Wen will ich noch einmal sehen?
Mit wem will ich mich versöhnen oder aussprechen?
Wem habe ich noch etwas Wichtiges zu sagen?
Was will ich weiterschenken an persönlichen Erinnerungen, Abschiedsbriefen, Fotos?
Was vermache ich meiner Familie und meinen Freunden?
Professor Franco Rest, der Dortmunder Sozialphilosoph und Vordenker der Sterbegleitung in Deutschland wird hier zitiert. Im Internet hab ich dieses PDF mit allen 73 Fragen/Anregungen gefunden: Spirituelle Verfügung der FH Dortmund.
Lesen Sie auch Annegrets Artikel: Warum das Sterben eigentlich nicht weh tun?
Liebe Marion, ich freue mich, dass Du Zeit gefunden hast zu lesen und auch gleich zu schreiben. Es ist wichtig was Du schreibst und Du wirst andere ermutigen weiterzudenken. Wir haben die Vorsorgevollmacht gegenseitig unterschrieben. Das prüfe ich jetzt gleich noch mal.
Es braucht einen Menschen an meiner Seite, dem ich vertraue und der in meinem Sinne für mich handelt. Also. Müssen wir sprechen. Immer wieder.
Ich bin sehr froh, Dich mit deiner Expertise hier in unserem Leserkreis zu haben. Danke für Deine wichtigen Impulse. In unserer Weiterbildung werden wir das nächste Mal über die Patientenverfügung sprechen. Da werde ich gleich mal diesen Artikel der FAS mit einbringen und unsere Gedanken hierzu.
Und ja, die Antwort bleibt offen: was ist ein würdevoller Tod für mich?
Herzlich vom See.
Petra
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Liebe Petra,
für mich bedeutet in Würde sterben, dass meine Wünsche und Bedürfnisse am Lebensende respektiert und und nach Möglichkeit erfüllt werden und ich medizinisch und pflegerisch so versorgt werde, dass Symptome, wie Luftnot, Schmerzen, Angst und Unruhen, Übelkeit und Erbrechen etc. bestmöglich gelindert werden. Psychosoziale und spirituelle Aspekte sollten dabei ebenso beachtet werden und Menschen, von denen ich mir wünschen würde, dass sie mir im Sterben beistehen, sollten auch die Möglichkeit bekommen das zu tun und selber Unterstützung erfahren.
Doch wie teile ich mit und wie halte ich fest, was ich mir am Lebensende wünsche? Mit welchem Menschen meines Vertrauens kann ich über diese Dinge sprechen? Habe ich selber überhaupt schon ausreichend klare Vorstellungen…
Ein Schlaganfall kann mich jederzeit treffen und unter Umständen ist mein Sprachvermögen und Sprachverständnis danach komplett gestört. Ich bin dann auf die Unterstützung eines Menschen angewiesen, der meine Wünsche und Bedürfnisse kennt und fähig ist meine Interessen z.B. bei Fragen zur Therapiebegrenzung zu vertreten. Ich habe das Glück einen solchen Menschen an meiner Seite zu haben. Damit er auch das Recht hat dies zu tun, habe ich eine sogenannte Vorsorgevollmacht ausgefüllt, die wir dann gemeinsam unterschrieben haben. Zu diesem Schritt möchte ich jeden sehr ermutigen.
Ich teile die Auffassung, dass Patientenverfügung oft nicht juristisch haltbar sind, weil sie nicht die genaue Behandlungssituation, in der sich der Betroffene gerade befindet, beschreibt. Trotzdem können sie in vielen Fällen Hinweise in Bezug auf Therapiewünsche oder zu Fragen der Therapiebegrenzung geben. Auf Grund meiner Erfahrung aus dem Bereich der Altenpflege stehe ich mittlerweile dem Auffüllen von Patientenverfügungen sehr kritisch gegenüber. Ich empfehle eher intensive Gespräche mit dem Bevollmächtigten unter Einbeziehung des Hausarztes zu führen.
Ich bin dankbar für den Hinweis auf die spirituelle Patientenverfügung von Franco Rest. Sie scheint mir eine große Hilfe zu sein, um mir zunächst selbst Klarheit über Fragen und Wünsche zu verschaffen. Schon auf den ersten Blick ist sie ja sehr umfassend.
Aber es ist ja auch nicht in einem Satz gesagt, was für mich konkret ein würdiger Tod bedeutet.
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