Zwei Schüsse und 84 Bäume in Ebersberg

Als heute vor 110 Jahren am 28. Juni 1914 der bosnisch-serbische Nationalist Gavrilo Princip in Sarajevo die tödlichen Schüsse auf den österreichischen Thronfolger Franz-Ferdinand und dessen Frau Sophie abgab, lag die Kriegsstimmung bereits in der Luft. Sein Attentat löste die Julikrise aus, die am 28. Juli mit der Kriegserklärung Österreich-Ungarns gegen Serbien begann und schließlich im Ersten Weltkrieg mündete.
Vier Jahre später, 1918, waren rund 17 Millionen Menschen tot, Europa war ein anderer Kontinent. Viele Historiker:innen sind heute der Meinung, dass es auch ohne dieses Attentat zum Krieg gekommen wäre. Die Schüsse waren aber eine sehr gute Gelegenheit für Österreich, Serbien ein unannehmbares Ultimatum zu stellen und mit Krieg zu drohen, falls Serbien die Forderungen Österreichs nicht erfüllt. Was ja dann auch so passiert ist.
Wenn die kriegstreibenden Köpfe im Juli 1914 nur eine leise Ahnung gehabt hätten, welche Wucht dieser erste industriell geführte Krieg entfalten würde, sie hätten möglicherweise nicht so leichtfertig zu den Waffen gegriffen, auch das wird in den Geschichtswissenschaften diskutiert. So aber zog ein Land nach dem anderen vorerst begeistert in die Schlachten. Es war eine überaus komplexe Lage an Bündnissen und Rückversicherungen, nationalistischer Großstaatensucht wie auch Unabhängigkeitsbestrebungen, die Angst vor dem Erbfeind, die Hybris, das Vertrauen in die eigene militärische Übermacht…

Doch das sollte sich schnell ändern. Panzer, Giftgas, Flugzeuge, U-Boote – das hatte es in den vorangegangenen Kriegen nicht gegeben. Der Tod sollte seine fürchterliche Ernste halten.

Weiterlesen

Der alte Friedhof von Ramsau

Die Kirche St. Sebastian von 1512 in Ramsau im Berchtesgadener Land gehört ganz sicher zu den meist fotografierten Sakralbauten Bayerns. Das ist allerdings weniger ihrer und kunsthistorischen Bedeutung geschuldet, ihre beeindruckenden Architektur oder dem Umstand, dass sie einen ganz besonders relevanten historischen Hintergrund aufweisen kann: Kein Wallfahrtsort, kein Gedenkort, kein Heiliger, dessen Gebeine hier angebetet werden.
Es ist eine ganz einfache Pfarrkirche in Oberbayern: Eher klein, hell getüncht, mit Zwiebelturm, innen sogar relativ bescheiden ausgestattet, zumindest im Vergleich zu anderen Kirchen mit barocker Ausstattung.

Trotzdem. Ihre Prominenz verdankt sie ihrer ungemein pittoresken Lage inmitten des kleinen Ortes Ramsau im Berchtesgadener Land. Die Ramsauer Ache fließt durchs Dorf, von Dutzenden alter Holzbrücken ist sie überspannt, das Bergpanorama ist beeindruckend.

Weiterlesen

Licht und Schatten. Spaziergang über die Friedhöfe in Berlin Mitte

Berlin ist eine interessante Stadt: inspirierend vielfältig. Die touristische Hauptstadt zeigt auch ihre elenden Seiten. Fotografiert hab ich die schönen Seiten Berlins. Auch den Regen. Während des Schlenderns in Berlin Mitte kam ich zu den beiden nebeneinander liegenden Totenstätten „Dorotheenstädtischer Friedhof“ sowie „Kirchhof der französisch-reformierten Gemeinde zu Berlin“. Ich lernte, auf beiden liegen bekannte Künstlerinnen und andere Persönlichkeiten. Für einen kleinen, von niedrigen Hecken begrenzten Bereich hat die Akademie der Künste die Nutzungsrechte erworben.

Es war kalt, ich zurrte meinen Mantel fest um mich und trug Schal, Mütze und Handschuhe. Licht und Schatten, Sonne und Wolken luden mich ein zu einem Spaziergang zu den Gräbern. Ich hörte wie jemand rief: „Hier liegt Hegel“. Bei Bertold Brecht machte ich kurz Halt. Ich war nicht allein an seinem Grab. Meine Spazierrunde war da schon beendet. Ich hatte einige Fotos von Grabsteinen und besonderen Figuren und Köpfen gemacht, die ich euch jetzt vorstellen mag.

Weiterlesen

Friedhöfe in Bosnien und Herzegowina (04)

Über die Bosnien und Herzegowina zu schreiben, die Reiseeindrücke zu schildern, geht nicht, ohne nicht auch auf die Belagerung der bosnischen Hauptstadt zu sprechen zu kommen, auf Srebrenica, auf Völkermord und Kriegsverbrechen. Die Spuren dieses Krieges, die Wunden und Narben sind auch 30 Jahre später überall im Land gegenwärtig. Schon allein die Unmenge an Gebäuden, die noch nicht wieder aufgebaut wurden, vielleicht werden sie es auch nie. Man geht heute davon aus, dass die Kriege in Folge des Zerfalls Jugoslawiens stattfanden, rund 135 Millionen Menschen das Leben gekostet hat, davon um die 120.000 in Bosnien und Herzegowina. Weitere 25.000 sind bis heute vermisst. Flucht, Vertreibung und Umsiedlung von Bevölkerungsgruppen haben ihren Anteil daran, warum das Land heute so ist, wie es ist.

Im Juli 2023 waren wir auf einer Rundreise kreuz und quer durch Bosnien und Herzegowina, und haben dort auch einige Friedhöfe besucht. In meinem eigenen Blog gibt es Blogserie dazu. Daraus entstanden für den Totenhemdblog fünf Friedhofportraits. Wer die ganze Serie der Reise lesen will, findet hier die Ankündigung und kann dann weiterklicken.

Hat mein Interesse an dem Kriegsgeschehen in Bosnien etwas mit Dark Tourism zu tun, mit Dunklem Tourismus? Ich lese einen Spiegel-Artikel zum Thema, fühle mich ertappt aber irgendwie auch auf der sicheren Seite, denn Tourismus-Forscher Christian Eckerts sagt in diesem Artikel: „Ich bereise ein Land, um es besser zu verstehen – und die düsteren Kapitel seiner Vergangenheit prägen das Land nun mal mit.“

Weiterlesen

Friedhöfe in Bosnien und Herzegowina (03)

Waren Sie schon einmal auf einem alten muslimischen Friedhof? Bis zum Sommer 2023 hätte ich diese Frage mit „Nein“ beantworten müssen. Im Juli 2023 waren wir auf einer Rundreise kreuz und quer durch Bosnien und Herzegowina, und haben dort auch einige Friedhöfe besucht. In meinem eigenen Blog gibt es Blogserie dazu. Daraus entstanden für den Totenhemdblog fünf Friedhofportraits.
Wer die ganze Serie mit- oder später nachlesen will, findet hier die Ankündigung und kann dann weiterklicken.

Das „Nein“ stimmt so ganz nicht, auf Zypern habe ich mir einen alten, muslimischen Friedhof angesehen, wovon hier zu lesen ist. Aber so richtig mitzählen will ich den nicht, denn eigentlich sind das nur noch die Reste eines Friedhofs.
In der Föderation von Bosnien und Herzegowina, also im bosnischen und überwiegend islamisch geprägten Teil des Staates aber bin ich das erste Mal auf echten Friedhöfen unterwegs – auch wenn auf den alten nicht mehr bestattet wird.

In Zenica stehe ich das erste Mal auf einem solchen Gräberfeld. Weiterlesen

Friedhof beim Bergkirchli Arosa: Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen

Ganz gezielt bin ich in Arosa zum Bergkirchli gewandert letzte Woche, das seit 1493 im Ort steht und heutzutage für Gottesdienste und Konzerte genutzt wird. Ein kleiner Friedhof schmiegt sich um das Kirchlein. Meine Entdeckungen mag ich mit euch teilen.

Zunächst dieser wunderbare weite Blick über die Kirche hin zu den Bergen. Es war schönes Wetter. Einige Wolken zogen vorbei. Leichtigkeit lag in der Luft. Man ist immer wieder eingeladen, in die Ferne zu schauen um die Bergwelt zu bestaunen.

Auf einem der Grabsteine steht dieser schöne Vers: Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Er kommt aus Psalm 121. Dieser wird als Segen für Reisende und Pilger verwendet. Bei Wikipedia lerne ich: „Er gehört zu den Texten, die im Rahmen der Sterbebegleitung, insbesondere bei der Aussegnung Verstorbener, sowie bei kirchlichen Trauerfeiern gerne verwendet werden“.

Es hat mir auf dem kleinen Friedhof gut gefallen, wäre da nicht ein Touristenpaar laut gewesen. Sie zogen dann aber Gott sei Dank bald weiter. Andere Menschen, die kamen, waren ruhiger und spazierten langsam wie ich über die Wege. Mir fielen die drei Tonfiguren auf. Sehr viele Gräber zierten blau-lila Distelblüten. Das sieht man ja auf unseren Gräbern nicht. Ich mochte das.

Über diese kleine Zeichnung auf dem Grabstein freute ich mich besonders. Dummerweise weiß ich nicht mehr wer dort begraben ist. Eine Frau? Ein Mann? Beide? Ein Kind? Nächstes Mal guck ich nochmals.

Weiterlesen

Friedhöfe in Bosnien und Herzegowina (02)

Im Juli 2023 waren wir auf einer Rundreise kreuz und quer durch Bosnien und Herzegowina, ein Land, das mich total in seinen Bann geschlagen hat. In meinem eigenen Blog habe ich eine Blogserie gestartet (und noch nicht abgeschlossen), sie wird am Ende 26 Teile lang sein – weil es so unglaublich viel zu erzählen und Fotos zu zeigen gibt.
Hier werde ich aus dieser Serie nach und nach insgesamt fünf Teile veröffentlichen, den Text anpassen und die Bilder spiegeln. Wer die ganze Serie mit- oder später nachlesen will, findet hier die Ankündigung und kann dann weiterklicken.

Nein, ich wusste es nicht. Es war eine große Überraschung, im Reiseführer zu lesen, dass in Sarajevo der zweitgrößte jüdische Friedhof Europas beheimatet ist. Der Fläche nach ist es sogar der Größte, mehr als doppelt so groß wie der berühmte Prager jüdische Friedhof. Dort aber fanden weitaus mehr Menschen ihre letzte Ruhe. Und wenn das das Maß des Vergleichs ist, dann ist der Prager jüdische Friedhof der Größere – der weitaus bekanntere und mit viel mehr Besuchern ist er sowieso. Vorgestellt hatte ich ihn hier im Blog ja bereits. Heute also der Friedhof von Sarajevo. Weiterlesen

Termin: Friedhofspaziergang auf dem Frankfurter Hauptfriedhof mit Sigrid Tinz am Sonntag, 17.9.23 14 Uhr

Der Friedhof lebt – Lesung und Führung

Für die Natur sind unsere Friedhöfe keine toten Orte – sondern artenreiche Inseln des Lebens.

Darüber hat die Geoökologin Sigrid Tinz ein Buch geschrieben: „Der Friedhof lebt!“  – und wie er lebt, das zeigt sie uns ganz konkret an verschiedenen Beispielen auf diesem Spaziergang über den Frankfurter Hauptfriedhof. Dazu liest sie passende Stellen aus ihrem Buch. 

Nach der Veranstaltung wissen Sie nicht nur, wie jede und jeder beitragen kann zur Artenvielfalt auf Friedhöfen und deren Charakter als besonderen Ort zu erhalten. Sondern Sie werden Ihren Friedhof in Zukunft mit anderen Augen betrachten und jedes Mal aufs Neue wundervolle Schätze der Natur entdecken.

Die Veranstaltung dauert circa 1 ½ Stunden; am Ende des Spaziergangs ist Gelegenheit zum Gespräch und um einen Blick in das Buch zu werfen, zum Kaufen und Signieren lassen.

Der Spaziergang mit Lesung findet im Rahmen des Tag des Friedhofs veranstaltet vom Frankfurter Hauptfriedhof statt.

Melden Sie sich bitte an:

Treffpunkt um 13.55 Uhr am Sonntag, Tag des Friedhofs, 17. September 23

Frankfurter Hauptfriedhof. Haupteingang Eckenheimer Landstraße 194, vor der Trauerhalle.
U-Bahn-Haltestelle „Hauptfriedhof“ mit der U5.

Du kannst nicht nach Frankfurt kommen, dann schau hier, ob in Deiner Gegend eine Veranstaltung geplant ist.

Sigrid Tinz ist freie Journalistin, Autorin und Referentin sowie Diplom-Geoökologin.

So war es auf dem Friedhof Westhausen

www.krautundbuecher.de
@kraut_und_buecher

Sigrids Buch habe ich hier vorgestellt / Buchtipp: Der Friedhof lebt

Friedhöfe in Bosnien und Herzegowina (01)

Es ist schon ein merkwürdiger Ort, ein kleiner Familienfriedhof mitten im Wald. Man hätte ihn leicht übersehen können, aber wir waren vorgewarnt; informiert von einem Naturpark Ranger, der uns ausführlich einen Wanderweg durch den Kozara Nationalpark beschrieben hatte.

Also auch den Cemetery.

Weiterlesen

Eine Reise wert: Friedhofspaziergang Helgoland

Sommerzeit ist Zeit ans Meer zu fahren. Bei wem Helgoland auf der Liste steht, sollte nicht nur Vögel und Strand genießen, sondern auch den beiden Friedhöfen einen Besuch abstatten.

Es gibt auf der Hauptinsel den Inselfriedhof. Ein kleiner, feiner Friedhof, mittendrin steht die Kirche, drumherum sind die Gräber, ordentlich in Reih und Glied, aber voll mit bunten Blumen.

Besonders schön: Der Friedhof ist umgeben mit einer halbhohen Mauer, an die alle Grabsteine gestapelt und gelehnt werden, die wegen Ablauf der Ruhefrist abgeräumt wurden. Viele Friedhöfe werfen die alten Steine einfach weg, sie werden zerklopft und als Straßenunterbaumaterial verwendet. Das ist nicht nur schade für viele Moose und Flechten, die Jahrzehnte gebraucht haben, sich auf dem Stein anzusiedeln und zu erhalten. Es schafft auch ein besondere Atmosphäre; so als wären die vor langer Zeit Verstorbenen doch noch irgendwie anwesend.

Weiterlesen